Wir leben in einer Kultur, in der der Tod negiert wird. Leben ist alles, Tod ist wie ein bedauernswerter Betriebsunfall. Wenn ein lieber Mensch stirbt, erwarten die Verwandten und Freude, dass man das einfach wegsteckt. Ein paar Tage Trauer, dann zurück zu normal und komm uns nicht mit deinem Leid, wir wollen nicht daran erinnert werden.

So wie Hinterbliebene selten offene Ohren finden, so geschieht es meist auch mit den Menschen, deren Zeit gekommen ist. Oft werden sie aus ihrem Umfeld herausgerissen, entsorgt in Krankenhäuser oder Pflegeheime, und wenn sie Glück haben, kommen sie in ein Hospiz, wo sie wahrscheinlich die beste, weil fachgerechte Begleitung finden. Hier können sie Fragen stellen und sich einstimmen auf das, was auf sie zukommt. Hier müssen sie sich nicht mehr in lautloses Erleiden und Schweigen hüllen.

Deutschland ist vorbildhaft, was das Angebot und die Unterbringung von Menschen am Lebensende betrifft. Die meisten Länder der Welt kennen das wenig (Siehe unser Gespräch mit einem Vorreiter für Hospize in Brasilien hier). Man verläßt sich auf die Hilfe der Familie, die heutzutage damit meist überfordert ist, oder man bringt die Menschen ins Krankenhaus, in der Erwartung, dass sie dort mit Hilfe allen technischen Aufwands doch noch am Leben gehalten werden. Wer erst einmal im Krankenhaus ist, hat wenig Chance auf einen ruhigen Übergang in die andere Dimension, angehängt an Schläuchen und piepsenden Geräten.

Was ist denn der Wunsch des Sterbenden? Wer hat ihn oder sie vorher gefragt, wie sie sich das Ende vorstellen, wie sie gern behandelt werden möchten? Jetzt gibt es das “biologische Testament” hier in Italien, wo ich lebe, wo man das durch multiple choice Fragen einigermaßen bestimmen kann. Das Papier wird in der Stadtverwaltung bewahrt, aber wird es wirklich zu Rate gezogen, wenn es soweit ist? Wer weiß!

In Nordeuropa sind wir gewohnt, dass in Krankenhäusern und Hospizen Ruhe herrschen soll. Wir assoziieren Sterben mit nicht gestört werden wollen. Was aber, wenn ein Mensch mit Migrationshintergrund in den letzten Tagen ins Krankenhaus kommt und von den Ärzten erwartet, dass sie Wunder vollbringen und den Angehörigen retten sollen? Südliche Kulturen in Europa, Mittlerer Osten, Afrika und mehr: sie alle sind gewohnt, große Familien um sich zu haben und viel Lärm. Italienische Großstadtbewohner lieben es, in der Hauptreisezeit Urlaub zu machen an Orten, wo sich die Menschen am Strand und in den Ferienanlagen drängen und die Disco lautstark bis zum frühen Morgen dröhnt. Alles andere als leise! Und die Familienangehörigen werden ebenso lautstark sich äuérn, wenn sie Angehörige im Hospiz besuchen – wenn sie überhaupt herausgefunden haben, dass es so etwas gibt und dass sie es in Anspruch nehmen können.

Der Hospizdienst in einer deutschen Großstadt wie Berlin ist also keineswegs eintönig. Menschen, die sich berufen fühlen, andere auf deren letzten Weg zu begleiten, bereiten sich auf diese Aufgabe vor. Individuelle Unterschiede im Umgang mit dem Menschen sind Teil der Fähigkeiten, die sie lernen müssen. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass man “einfach so” weiß, wie mit Sterbenden umzugehen ist zu deren und zum eigenen Nutzen.

In meinem Gespräch mit Elisabeth Schmidt-Pabst sprechen wir über das Thema Sterben, Sterbende und Angehörige, Hospiz und ärztliche Behandlungen, aber auch über freiwilliges aus dem leben Scheiden und Organspende. Alles Themen, die in der Tabu-zone feststecken. Einmal im Jahr, im November, denkt man offiziell an Tod und Sterben, wenigstens im Christlichen Einflussbereich. Vielleicht wäre diese Zeit eine Möglichkeit für die ansonsten eher Zurückschreckenden, sich dem Thema zu öffnen. Dieses Gespräch könnte ein Weg dazu sein. Dauerhaft werden wir Tod und Sterben nicht ausschließen können aus unserem Gewahrsein, dass ist nun mal gewiss.

  

Über Elizabeth Schmidt-Pabst

Elizabeth ist gebürtige Amerikanerin, sie lebt seit mehr als 20 Jahren in Berlin. Elizabeth fühlt sich begnaded, seit mehr als 20 Jahren Schülerin der in Berlin lebenden spirituellen Meisterin MARIANANDA zu sein. Seit über 10 Jahren ist Elizabeth im Hospiz und in Palliative Care hauptberuflich tätig. Außerdem ist sie Referentin für kultursensible Kompetenzen im Gesundheitswesen, mit den Themen rund um Tod und Sterben und Demenz.
Sie ist Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Quelle: https://thewisdomfactory.net

 

 

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