Geld und Dharma

Wirtschaft

Geld und Dharma

Ken Wilber

Der Dharma ist frei. Niemand sollte Geld für die Lehre oder Übermittlung des Dharma verlangen. Dharma, der mit Geld in Berührung kommt, ist kein Dharma. Der Verkauf des Dharma ist die Wurzel allen Übels. Den Dharma allen Suchenden frei und ohne Geld dafür zu verlangen zur Verfügung stellen ist rein, nobel, und eine respektvolle Haltung.

So oder so ähnlich geht der merkwürdige Antagonismus zwischen Dharma und Dollars. Bei dem Thema von Geld und Dharma – oder Geld und Spiritualität allgemein – gibt es mindestens zwei sehr unterschiedliche Aspekte, die zu unterscheiden und zu besprechen sind. Eines davon ist der angemessene geldliche Wert einer jeden Austauschbeziehung (von medizinischer Versorgung zu Waren und Dienstleistungen allgemein); das zweite ist die Frage, ob der Austausch von Geld überhaupt mit dem Dharma verbunden werden sollte. 

Beginnen wir mit der zweiten, schwierigeren Frage. Die ersten großenDharma-Systeme des Osten und des Westens entstanden alle ausnahmslos während der so genannten „Achsenzeit“ (Karl Jaspers), dieser ganz außerordentlichen Periode beginnend um 600 vor Christus (plus/minus einiger Jahrhunderte), ein Zeitabschnitt, der die Geburt von Gautama Buddha, Lao Tze, Konfuzius, Moses, Plato, Pantanjali erlebte – und dann später, im Verlaufe der darauffolgenden Jahrhunderte Ashvaghosa, Nagarjuna, Plotin, Jesus, Philo, Valentinus … hervorbrachte. Praktisch alle der Grundaussagen der ewigen Philosophie wurden erstmals in dieser herausragenden Periode formuliert (im Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Judentum, Christentum …)

Und alle diese Zivilisationen, in der die genannten Lehrer aufwuchsen, waren ausnahmslos agrarische Zivilisationen und Kulturen.

Kulturen (und soziale Strukturen) lassen sich auf viele unterschiedliche Weisen kategorisieren und einteilen. Eine dieser Einteilungsmöglichkeiten ist die nach der vorherrschenden Weltsicht der Kultur (archaisch, magisch, mythisch, mental, existentiell), was sich auf die Ebene des Bewusstseins bezieht, die vom durchschnittlichen Individuum dieser Gesellschaften erreicht wird (und daher die „offizielle Sichtweise“ der Wirklichkeit dieser Gesellschaft darstellt, d. h. ihre Weltsicht).

Eine andere Einteilungsmöglichkeit ist die der entsprechenden techno-ökonomischen Basis der Gesellschaft (Jagen und Sammeln, Gartenbau, agrarisch, industriell, informationell), was sich auf die Produktionsmittel bezieht, welche die Gesellschaft zur Herstellung von Nahrung, Kleidung und der anderen Mittel zur Erfüllung der Grundbedürfnisse verwendet (die fünf Hauptweltsichten stehen in Korrelation zu diesen fünf bedeutenden techno-ökonomischen Grundstrukturen: Beide entstehen gemeinsam und beeinflussen sich wechselseitig).

Jagen und Sammeln: Die meisten dieser Gesellschaften existierten vor der Erfindung des Rades; die durchschnittliche Lebenserwartung betrug etwa 22,5 Jahre; ein durchschnittlicher Stamm bestand aus 40 Menschen; (dies ist in den Augen der Tiefenökologen der Himmel: die Männer konnten jagen, und die Frauen Beeren sammeln). Dies war die Hauptform menschlicher Gesellschaften für vielleicht eine Million Jahre …

Gartenbau bedeutet etwas anzupflanzen (meist mit einer Hacke oder einem Grabstock), was etwa um 10.000 vor Christus begann. Frauen produzierten in den Gartenbaugesellschaften die meiste Nahrung, etwa 80% (auch schwangere Frauen konnten mit dem Grabstock arbeiten, und das Feld befand sich neben der Wohnstätte, so dass sich Feldarbeit und Kinderaufzucht vereinbaren ließen). Die Männer gingen in dieser Zeit weiterhin auf die Jagd und blieben dabei unter sich, angetrieben von ihrem Testosteron. Wegen der Bedeutung dessen, was die Frauen zum Lebensunterhalt beitrugen, hatten etwa 1/3 dieser Gesellschaften weibliche Gottheiten (das „Matriarchat“, die „große Mutter“); etwa 1/3 hatten sowohl männliche wie weibliche Gottheiten. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 25 Jahre. Die religiösen Hauptrituale waren Menschenopfer. (Während die Ökomaskulinisten die Gesellschaften von Jägern und Sammlern lieben, lieben die Ökofeministen die Gartenbaugesellschaften. Dies ist ihre Vorstellung eines himmlischen Lebens).

Ackerbau bedeutet fortgeschrittenen Anbau unter Verwendung unterschiedlicher von Tieren gezogenen Pflügen. Ein Grabstock kann leicht von einer schwangeren Frau gehandhabt werden, ein Pflug hingegen nicht, und Frauen, die damit arbeiten, haben ein deutlich höheres Risiko von Fehlgeburten (es ist zu ihrem eigen Darwinschen Vorteil nicht mit dem Pflug zu arbeiten). Mit der Einführung des Pfluges begann eine wirklich gravierende kulturelle Veränderung.

Praktisch alle Nahrung wurde jetzt von Männern produziert (dies taten die Männer nicht absichtlich, sie nahmen den Frauen die Arbeit nicht weg, um sie zu „unterdrücken“: Sowohl Männer wie Frauen entschieden, dass die schwere Arbeit am Pflug Männerarbeit war; für die Männer bedeutete das ganz sicher kein Faulenzen am Strand, und es machte sicherlich auch nicht so viel Spaß wie das gemeinsame Jagen, welches weitgehend aufgegeben werden musste. Doch als die Männer begannen praktisch die gesamte Nahrung zu produzieren, verwandelten sich – und das ist keine Überraschung – die weiblichen Gottheiten in diesen Gesellschaften in männliche Gottheiten. 97 % aller agrarischen Gesellschaften, wo immer sie auftraten, hatten ausschließlich männliche Gottheiten (das „Patriarchat“). Männer begannen den öffentlichen Raum zu dominieren (Regierung, Bildung und Erziehung, Religion, Politik), und Frauen dominierten den privaten Bereich (Familie, Herz, Heim; diese Unterscheidung wird oft bezeichnet als männliche Produktion und weibliche Fortpflanzung). Agrarische Gesellschaften traten um 4.000 – 2.000 vor Christus in Erscheinung, im Osten wie im Westen, und sie blieben der vorherrschende Produktionsmodus bis zur industriellen Revolution.

Weiterhin führte der fortgeschrittene Anbau zu einem Überschuss an Nahrung, und dieser Überschuss befreite viele Menschen (Männer) von der Pflicht, sich mit Nahrungssuche und Nahrungserzeugung zu beschäftigen (die Landwirtschaft befreite einige Männer von der Produktion, doch die Frauen mussten sich nach wie vor mit der Reproduktion beschäftigen).

Dies führt zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte zu einer Reihe hoch spezialisierter Klassen: Männer mussten ihre Zeit nicht mehr für die Sicherung der Grundbedürfnisse einsetzen, sondern konnten sich kulturellen Unternehmungen zuwenden: Die Mathematik wurde erfunden, ebenso das Schreiben – und spezielle Formen der Kriegsführung. Durch die Produktion von Nahrungsüberschüssen konnten Männer mit dem Aufbau der ersten großen militärischen Imperien beginnen, und überall auf der Welt, beginnend etwa um 3000 v. Chr., erhoben sich die Alexanders, Caesars, Sargons und Kahns: gewaltige Imperien, die paradoxerweise damit begannen, die unterschiedlichen und untereinander zerstrittenen Stämme in einer verbindlichen sozialen Ordnung zu vereinen. Diese mythisch-imperialen Imperien wandelten sich dann, mit dem Beginn von Rationalität und Industrialisierung, zu modernen Nationalstaaten.

Drittens wurde ein Klasse von Menschen durch die Nahrungsmittelüberschüsse in die Lage versetzt, sich Gedanken über die eigene Existenz zu machen. Daher entstanden mit den ersten agrarischen Kulturen auch die ersten dauerhaften kontemplativen Unternehmungen, Unternehmungen die den GEIST nicht mehr „da draußen“ in der Biosphäre lokalisierten (die Mythologie des Gartenbaus und der frühen agrarischen Entwicklungsstufe), sondern GEIST „hier drinnen“ verorteten, mit einem Zugang durch die Türen tiefer Subjektivität, innerlichen Bewusstseins und Kontemplation. So traten die großen Weisen der Achsenzeit hervor, deren Botschaft praktisch überall die gleiche war: „Das Himmelreich ist in euch“. Dies war auf eine absolut radikale Weise neu. 

Dieser neue Durchbruch in der Spiritualität lässt sich mit dem Wort „reiner Aufstieg“ an besten beschreiben. Das bedeutet, dass die gesamte manifeste Welt als schlecht oder böse angesehen wurde. Die manifeste Welt ist die Welt von samsara, des Leidens, der Illusion, der Versuchung, des Bösen und des Scherzes. Daher bestand das Hauptziel einer spirituellen Verwirklichung im Finden des Himmelsreiches, welches „nicht von dieser Welt“ ist. Spirituelle Verwirklichung bedeutet so die Auslöschung des Manifesten (samsara) im Unmanifesten, Ungeborenen, Unerschaffenen (nirvana) – und alles in der manifesten Welt, was eine Versuchung – in welcher Form auch immer – darstellt, ist daher „Sünde“. Die ganz großen Sünden dabei waren Gold (Geld), und Sex (Frauen). Auch Nahrung wurde oft noch zu dieser unheiligen Trinität hinzugezählt, verbunden mit der Vorstellung, dass wenn man von seinem Hunger oder von Nahrung fixiert wäre, dass man dann auch hungrig nach samsara und dem Leiden wäre.

Geld, Nahrung, Sex. Die großen „du sollst nicht“ in den rein aufstiegsorientierten, agrarischen, männlich ausgerichteten Weisheitstraditionen. Es ist daher kein Zufall, dass die zweite noble Wahrheit des Buddha – der Grund des Leidens ist Verlangen – sich speziell auf das sexuelle Verlangen bezog, und damit meinte er natürlich die Frauen. „Eva“ (mit ihren unterschiedlichen Namen) war überall die große Versuchung, und sogar die große Quelle des Bösen. Geld war ebenso problematisch. Dass Christus die Geldwechsler aus dem Tempel vertrieb, war wahrscheinlich eine gute Idee, doch mehr noch war das ein Sinnbild für das Aufstiegsbestreben der ersten großen Dharma-Systeme: Manifestation ist schmutzig, Manifestation ist schlecht, und der aufwärtsstrebende Mann soll sich fernhalten von Geld, Nahrung und Sex. Dies alles nimmt ihm die vitalen Lebenskräfte, die er braucht, um aus dem Rad und Spiel auszusteigen, und in der Auslöschung im Unmanifesten, Ungeschaffenen und Ungeborenen zu ruhen. Die agrarischen Gesellschaften unterstützten überall das aufstrebend Männliche, und die Wandermönche, Yogis, Sanyasins, und Bettelmönche wurden überall durch Almosen und Spenden der Gläubigen unterstützt. Der Dharma war rein; der Dharma war sauber; der Dharma blieb unberührt vom samsara, und berührte nicht oder erfreute sich zumindest nicht an Geld, Nahrung und Sex (oder Frauen).

Und natürlich würde der Dharma auch kein Geld für seine Verbreitung verlangen. Dies wäre ein Verkehr mit dem Teufel und mit maya, der Manifestation. Daher tragen ohne Ausnahme die frühen Dharma-Traditionen des Ostens und des Westens nach wie vor den Stempel der Verachtung von Geld, Sex und Frauen. Die Ethik dieser agrarischen aufstiegsorientierten Systeme hatte auf die eine oder andere Art zum Ziel, diese Übel zu vermeiden und ihnen abzuschwören. (All dies war, wie wir gerne zugeben, weitgehend unvermeidlich unter den Umständen einer agrarischen sozialen Organisation). Dies alles änderte sich dramatisch durch zwei ganz außerordentliche Entwicklungen. Eine davon war der Aufstieg der nichtdualen Systeme (sowohl im Osten wie im Westen), und das zweite war die Industrialisierung (im Westen, doch mit weitreichenden globalen Auswirkungen). Die nichtduale Revolution, eingeführt im Westen durch den brillanten Plotin, und im Osten durch den außergewöhnlichen Nagarjuna, hatte eine grundlegende Aussage: Die manifeste Welt des samsara ist kein Hindernis für den GEIST, sondern der vollkommene Ausdruck des GEISTES. samsara und nirvana sind nicht-zwei. Leere ist Form, Form ist Leere. Die von Plotin und Nagarjuna eingeführte Revolution ist die gleiche. Plotin wandte sich mit einer vernichtenden Kritik scharf gegen die lediglich aufsteigenden Gnostiker (die lehrten, dass der manifeste Bereich eine böse Inkarnation war). Diese Kritik bestanddarin, dass er fragte, wie es sein kann, dass, da die manifeste Welt eine Erschaffung des GEISTES wäre, man die Welt verachtet und den GEIST liebt? Wie kann man die Eltern lieben und die Kinder verachten? Plotin klagte die Gnostiker und die reinen Aufstiegswege eines brutalen spirituellen Kindesmissbrauchs an. Volle spirituelle Verwirklichung findet sich in der vollkommenen nichtdualen Umarmung dieser Welt, und nicht in der Flucht vor ihr zum Unmanifesten. Dies ist auch die vernichtende Kritik von Nagarjuna gegenüber den Theravada Buddhisten. Deren „nirvana“, so Nagarjuna, ist bis zum Kern dualistisch – nirvana versus samsara, das Eine gegen die Vielen, das Unendliche gegen das Endliche, das Unmanifeste gegen das Manifeste – und das bringt nicht Befreiung, sondern eine subtile Versklavung. Nagarjunas Madhyamika Revolution führte direkt zum Entstehen aller Formen des Mahayana Buddhismus, des Vajrayana Buddhismus, der verschiedenen Formen des Tantra, und, durch seinen Einfluss auf Gaudapa und Shankara, zum Vedanta Hinduismus – als ein Ergebnis von Nagarjunas tiefgründigem Nichtdualismus. Die Essenz der nichtdualistischen Traditionen (sowohl bei Plotin wie auch bei Nagarjuna) ist die, dass die aufsteigenden Wege richtig, wenngleich extrem einseitig sind. Zusätzlich zu einem reinen Aufstieg zur Leere und dem Einen gibt es den vollkommenen Abstieg des Einen in die Vielen. Nicht nur reine Transzendenz, sondern ebenso vollkommene Immanenz. Die gesamte manifeste Welt ist ein vollkommener Ausdruck des Leuchtens des leeren Seinsgrundes. Und der Aufstieg zum Unmanifesten, ungeborenen, unerschaffenen Einen ist zu vereinigen und zu integrieren mit dem Abstieg des Einen in die Vielen. Der Pfad des Aufstiegs ist der Pfad der Weisheit (der alle Formen als leer erkennt), und der Pfad des Abstiegs ist der Pfad des Mitgefühls (der Leere in allen Formen als manifest erkennt, und sie daher mit Liebe und Mitgefühl umfängt).

Der aufsteigende Eros Gottes ist zu vereinigen mit der absteigenden Agape der Göttin: Die Einheit von Weisheit und Mitgefühl, dem Einen und den Vielen, dem Aufstieg und dem Abstieg: diese Einheit bildet die Essenz der nichtdualen Traditionen (graphisch dargestellt im Tantra durch das Männliche und Weibliche, Eros und Agape, aufsteigende Weisheit und absteigendes Mitgefühl, vereint in einer sexuellen Umarmung: Dies war etwas vollkommene Neues! Aus dieser nichtdualen Orientierung ergab sich eine tiefgreifende Neu-Evaluierung der „sündevollen“ Natur von Geld, Nahrung und Sex (Frauen). Was für die rein aufsteigenden Wege eine Ablenkung vom GEIST darstellte, wurde nun als eine wesentliche und glorreiche Manifestation des GESTES betrachtet. „Diese Welt und alles, was auf ihr ist“, sagt Plotin, „wird zu einem gesegneten Sein“. 

Nirvana und Samsara sind nicht-zwei; daher konnte man niemals zum Nirvana gelangen, indem man vor Samsara flüchtete: Dies wäre etwa so wie wenn man, um seine Vorderseite zu finden, vor seiner Rückseite davon laufen würde. Die nichtdualen Traditionen empfahlen nun nicht mehr (wie die reinen Aufstiegswege) ein Verleugnen, Abschwören und Reinigen, sondern Transformation und Umwandlung: Die fünf Gifte sind eins mit den fünf Weisheiten (man begegnet z. B. Ärger mit Leere, und entdeckt so die Weisheit der Klarheit auf dem Grund des Ärgers). Die Verunreinigungen sind, so wie sie sind, Ausdruck ursprünglicher Bewusstheit. Ihnen wird nicht entsagt, sondern sie sind selbst-befreiend, so wie sie sind, in ihrer ursprünglichen Reinheit. Samsara ist nicht mehr das Haupthindernis zum GEIST, es ist das vollkommene Erscheinen der kreativen und leidenschaftlichen Aktivität des GEISTES, und sollte daher auch entsprechend behandelt werden. 

Dieser nichtduale Weg hat natürlich seine eigenen Fallgruben (ihre Anzahl ist Legion), doch die grundlegende Re-Orientierung ist offensichtlich: Es geht beispielsweise nicht länger um sexuelle Abstinenz, sondern um eine angemessene Sexualität als spirituellem Ausdruck. Frauen sind nicht das Böse schlechthin, sondern gleichermaßen Manifestationen des Göttlichen. Gegen Nahrung wird kein Kreuzzug mehr veranstaltet, sogar Fleisch, Alkohol und anderes „Unberührbares“ ist absolut angemessen, wenn ihm mit leerem Bewusstsein begegnet wird (z. B. im rituellen Gebrauch, als ein Hinweis, dass alle Aspekte von samsara ein Ausdruck des Göttlichen sind, und nichts davon zu verachten ist). Weiterhin führte dies, wie wir noch sehen werden, von einer Anti-Haltung gegenüber Geld zu einer Haltung angemessenen Umgangs mit Geld (ebenso so wie aus Anti-Nahrung angemessene Nahrung und aus Anti-Sex angemessener Sex wurde). Der Ekel vor Geld war hauptsächlich und wesentlich ein Ekel vor der Manifestation, ein Hass gegenüber samsara, und ein Verlangen sich nicht mit dem grobstofflichen Bereich zu „beschmutzen“ – all dies war für die nichtduale Orientierung ein grundlegender Irrtum und eine Verirrung. Doch auch wenn die nichtdualen Traditionen das Verhältnis zu samsara revolutionierten (gegenüber Sex, Nahrung, Geld, der Erde und Frauen) entstanden diese Traditionen dennoch vor dem Hintergrund einer agrarischen Ordnung, und sie blieben daher auf vielerlei Weise durchdrungen von der Ethik und der Moral von dem, was auf eine Weise an einen Altmännerklub erinnert. Eine durchgreifende Revolution für Frauen fand nicht statt, jedenfalls nicht im Osten, und im Westen auch nicht aufgrund einer idealistischen Bewegung, sondern wegen der Dampfmaschine. Trotz ihrer Schrecken und schlimmen Begleiterscheinungen bot die Industrialisierung die ersten und fortgeschrittensten technologischen Möglichkeiten, um den Lebensunterhalt nicht durch Muskelkraft, sondern durch Maschinenkraft zu sichern. Solange die agrarischen Gesellschaften physische Arbeitskraft (wie das Pflügen) benötigten, um den Lebensunterhalt zu sichern, betonten diese Gesellschaften zwangsläufig und unvermeidlich die männliche physische Stärke und Mobilität. Keine der agrarischen Gesellschaften kennt so etwas wie Frauenrechte. 

(Ohne vom Hauptthema abzuweichen möchte ich noch erwähnen, dass aus dem gleichen Grund 80% der agrarischen Gesellschaften, wo immer sie auftraten, auf der Arbeitskraft männlicher Sklaven gründeten. Sklaverei wurde als ein normaler, natürlicher und ethischer Weg angesehen, um sich die Arbeit für das eigene Überleben zu sichern; die frühen griechischen „Demokratien“ stellten dies nicht einmal in Frage, auch wenn ein Drittel der Bevölkerung Sklaven waren. Sogar die amerikanische Verfassung, im Gefolge der Industrialisierung geschrieben, und dennoch überwiegend ein agrarisches Dokument, geht davon aus, dass Sklaverei so natürlich ist, dass sie nicht erwähnt zu werden braucht: Es muss nicht erläutert werden, dass „Wir, das Volk[1]“ Sklaven und Frauen nicht mit einschließt. Doch innerhalb eines Jahrhunderts der Industrialisierung – in deren Verlauf eine Verschiebung stattfand von männlicher physischer Stärke (und Sklaverei) hin zu geschlechterneutralen Maschinen – entstanden erstmals in der Geschichte der Menschheit eine Frauenbewegung und eine Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei als gesellschaftliche Bewegungen. Diese Befreiungsbewegungen gründen sich auf die Tatsache, dass männliche Körperkraft nicht mehr der Hauptbestimmungsfaktor kultureller Macht war. Mary Wollstonecrafts Vindication of the Rights of Women [Eine Verteidigung der Rechte der Frau] wurde 1792 geschrieben, und stellt das erste feministische Werk der Menschheitsgeschichte dar. Es ist nicht so, dass Frauen plötzlich schlau und stark wurden nach einer Million Jahre der Unterdrückung und der eigenen Dummheit. Die sozialen Strukturen hatten sich erstmals in der Menschheitsgeschichte zu einem Punkt entwickelt, an dem physische Körperkraft nicht mehr die alles andere bestimmende kulturelle Kraft war. Innerhalb weniger Jahrhunderte – ein Augenzwinkern im evolutionären Maßstab –, erhielten Frauen das Recht auf persönliches Eigentum, das Wahlrecht, und „das Recht an einer eigenen Person“, d. h. das Recht sie selbst zu sein.

(Ebenso hat Bischof William Wilberforce in einer lebenslangen Kampagne zusammen mit seinem Freund William Pitt eine Bewegung vorangebracht, die 1807 zu einer Abschaffung des Sklavenhandels im Britischen Imperium führte. In den Vereinigten Staaten wurde ein Bürgerkrieg geführt, der sich teilweise auch gegen die Sklaverei richtete, mit Schlachten, in denen mehr Männer vernichtet wurden als im gesamten Vietnamkrieg – 48.000 starben allein in der Schlacht bei Gettysburg. Der damalige Präsident erinnerte die Welt in einer Meldung, die lediglich aus 253 Worten bestand daran, dass dieser Krieg ausgetragen wurde, weil die Nation sich dem Grundsatz verpflichtet fühlt dass „alle Männer [all men[2]] gleich sind,“ ein Grundsatz der angesichts der Naturgegebenheiten für alle darin eingebetteten Gesellschaften wie ein Hohn klingt, ebenso wie für alle agrarischen Gesellschaften. Bald wurde das „alle Männer“ erweitert zu „alle Menschen“ – Männer, Frauen, Sklaven –, und erstmals entstanden in der Menschheitsgeschichte echte Demokratien. Dies war eine Revolution (mit einer Reihe von Befreiungsbewegungen), an welcher der immer noch agrarische Osten nicht partizipierte – besonders nicht an der Frauenbewegung und der konkreten politischen Befreiung der Frauen. So waren, bei aller nichtdualen und tantrischen Betonung des „Femininen“ und der „Göttin“, die Frauen in diesen Gesellschaften auf den privaten und den Bereich der Fortpflanzung beschränkt. (Ich bin nicht der einzige, der sich über Gesellschaften wundert, welche die Göttinnen und das Feminine loben – wie in Indien, Tibet – und dennoch so gut wie keine Frauen in Machtposition und Stellungen mit öffentlichem Einfluss haben. Dies ist jedoch auf einer agrarischen Basis nicht möglich: Das Loben und Feiern des „Femininen“ bleibt daher eher ein Lippenbekenntnis, weil die sozio-ökonomische Grundlage diese wundervolle Vision nicht unterstützt und trägt.

Die Vereinigung des Ostens und des Westens bedeutet zu diesem Zeitpunkt der Geschichte daher vor allem die außerordentlichen Durchbrüche hinsichtlich der nichtdualen Orientierung – mit der gleichrangigen Wertschätzung von Aufstieg und Abstieg, Weisheit und Mitgefühl, Leere und Form, Eros und Agape, Männlich und Weiblich, Himmel und Erde – zu vereinen mit einer techno-ökonomischen Grundlage, (gesund industriell und speziell post-industriell), als der einzigen Basis, welche die Manifestation dieser nichtdualen Orientierung ermöglicht.

In einem Satz bedeutet dies die Vereinigung einer nichtdualen Orientierung mit einer postindustriellen Basis, was gleichbedeutend ist mit einer nichtdualen Orientierung ohne geschlechtsspezifische Vorurteile. Dies wäre ein im besten Sinne nichtduales Tantra, nicht nur als eine Vision und Theorie, sondern konkret und in Aktion, als eine tatsächliche Manifestation.

Das bedeutet eine grundlegend freundliche Einstellung gegenüber Geld, Nahrung, Sex und Frauen, was sich bei einem lediglich aufsteigenden Weg nicht findet. (Gleichzeitig wollen wir dabei nicht in das andere Extrem verfallen; viele der Bewegungen weiblicher Spiritualität enden als ein lediglich absteigender Pfad, bei dem nur der Körper, die Biosphäre, Agape und Mitgefühl betont werden – ohne einen Hinweis auf wirklichen Eros, Transzendenz und Leere – was zu einer endlos emotionalen Zurschaustellung egoisch-persönlicher Gefühle führt, vorzugsweise in Vollmondnächten, so als ob das eine Befreiung wäre).

Eine grundlegende Freundlichkeit gegenüber Samsara, als einem vollkommenen Ausdruck eines alles durchdringenden GEISTES: Dies ist die nichtduale Revolution; deren Gründung auf einer techno-ökonomischen Basis, welche ihre Manifestation ermöglicht: Das ist das große Projekt der Postmoderne. Diese Vereinigung konnte sich nicht vor der Industrialisierung ereignen, und mit unseren sorgfältigen Schritten in das postindustrielle Zeitalter können wir so viel wie möglich der zerstörerischen Nebenwirkungen einer Überindustrialisierung korrigieren, und haben dann erstmals in der Menschheitsgeschichte die Gelegenheit, eine wahrhaft nichtduale Orientierung gegenüber der Welt einzunehmen (nicht nur in der Theorie, sondern ganz konkret).

Der „Trick“ dabei besteht natürlich nicht in einer erzwungenen Abstinenz und herablassenden Beurteilungen von Geld, Nahrung und Sex, sondern in einer angemessenen und funktionalen Verwendung und Beziehung zu diesen Dingen, als einem angemessenen Ausdruck der Leere und einer angemessenen Manifestation des Göttlichen. 

Bei diesem schwierigen Ausgleich können wir Fehler nach zwei Seiten machen. Der eine Fehler ist der Standardfehler des reinen Aufstiegs: Alle Aspekte von samsara sind böse, und man soll davon tunlichst Abstand halten, um sich nicht zu infizieren (Finger weg! von: Geld, Nahrung, Sex, der Erde, dem Körper, Frauen). Doch das andere Extrem (der reine Abstieg) ist ebenso verführerisch: eine Art von Verhätschelung und zu großer Nachgiebigkeit gegenüber persönlichem Verlangen und Impulsen mit der Rechtfertigung „allesist GEIST“ – ein Hippie-Dharma, ein Beat-Zen, eine Selbst-Verwöhnung als ein Ersatz, egoischer Rabatz wird mit Ego-Transzendenz verwechselt.

Wie einzelne Menschen (und Lehrer) jeweils mit dieser heiklen Balance zurechtkommen (der Integration von Aufstieg und Abstieg im nichtdualen Herzen) bleibt ihnen überlassen (das ist ein anderes Thema). Was ich an dieser Stelle dazu sagen möchte ist, dass wir es immer noch mit einer außerordentlichen Ambivalenz, mit Schuld und mit Empörung zu tun haben bei der Vorstellung, dass Dharma und Geld irgendetwas miteinander zu tun hätten.

Das ist zutiefst konfus. Wenn Menschen sich einen Dharmakurs nicht leisten können, dann gilt es alle Anstrengungen zu unternehmen, damit diese Menschen trotzdem teilnehmen können. Doch das ist ein ganz anderes Thema und unterscheidet sich nicht von anderen Waren oder Dienstleistungen. Ich denke, dass die meisten Menschen der Meinung sind, dass eine medizinische Grundversorgung Menschen unabhängig von ihrer finanziellen Situation ermöglicht werden sollte. Ebenso sollten wir den Dharma Menschen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung stellen. Doch das ist nicht die Sorge vieler Menschen (und Lehrer). Sie denken, dass selbst wenn Menschen sich den Dharma leisten können, dass sie dennoch nichts dafür bezahlen sollten. Der Dharma ist „über diesen Dingen“, und sollte nicht mir schmutzigem Geld besudelt werden. Dieser Dharma sollte, mit anderen Worten, sich vor dem grobstofflichen Bereich ekeln, seine „Reinheit“ schwebt gewissermaßen darüber. Doch dies ist reiner agrarischer aufsteigender Gegen-diese-Welt-Unsinn. In seinem Anspruch nach Reinheit versteckt sich eine Abscheu vor der Manifestation. In seinem Anspruch nach Freiheit verbirgt sich eine Versklavung an eine andere Welt, die keinerlei Berührung hat mit den grundlegenden Realitäten dieser Welt. In seinem Anspruch auf moralische Klarheit verbirgt sich eine moralische Wertung, die besagt, dass samsara bis ins Mark verrottet ist. Schnöder Mammon. Finger weg von allem Grobstofflichem. Lasst uns mit aufwärts gerichteten Augen nur noch nach Transzendenz streben: Vermeiden wir Fürsorge und Mitgefühl und den Beziehungsaustausch, der charakteristisch ist für diese Welt: die Beziehungen zu Nahrung, Sex und Geld. 

Orientieren wir uns – als unser Ideal – an den Weisen der agrarischen Zeit, die nichts von Geld hielten (und es verdammten). Warum verwenden wir den ethischen Standard einer agrarischen Struktur für eine postmoderne Welt, wo er nicht anwendbar ist? Die agrarische Struktur unterstützte Yogis und Bettelmönche mit Almosen und Spenden – diese mussten sich nicht um Geld, einen Platz zum Leben oder um Steuern kümmern – und es ist einfach etwas zu verdammen, was man umsonst bekommt. Tut man dies in der postmodernen Welt, dann schafft und unterstützt man damit eine schlimme Heuchelei. Da Menschen und Lehrer sich Geld beschaffen müssen um zu überleben, lasst uns, wenn Geld ein Übel ist, das Geld mit Schuldgefühlen besorgen, aber es dann anders nennen („freie“ Spende). Weisen wir weiter darauf hin, dass Ramana kein Geld akzeptierte (er wurde natürlich von Schülern unterstützt); dass der Dalai Lama kein Geld akzeptiert (er verfügt über ein kleines Land, das ihn unterstützt). Und Gott bewahre uns davor, dass Lehrer Freude daran haben, einen BMW zu fahren: Dahinter steckt ganz sicher der Teufel.

Schlimmer noch: Die Botschaft, die von einem derartigen Dharma ausgeht, ist nicht die, wie man verantwortlich mit Geld umgehen kann, sondern wie man die Verantwortung dafür vermeidet. Der reine Dharma bleibt vom Geld unberührt, daher sollten alle wirklich Praktizierenden sich um Geld keine Gedanken machen. Was nichts anderes bedeutet, als dass ein guter Praktizierender sich völlig außerhalb der Realität befinden sollte.

Niemand freut sich darüber, wenn durch eine exorbitante Gier nach Geld Spiritualität missbraucht wird – durch Menschen wie Jimmy Swaggart, Oral Roberts (oder Rajneesh, usw.), die das Geld den Ahnungslosen aus der Tasche zogen. Doch das Gegenteil von Geldgier ist nicht die Vermeidung von Geld, sondern ein angemessener Umgang damit. Die Aufstiegsliste ist zu ergänzen durch: rechtes Essen, rechten Sex, rechtes Geld[3].

Meine persönliche Ansicht geht noch darüber hinaus. Ich denke, dass dieser Hippie-Dharma (schnöder Mammon) den Dharma herabwürdigt. Er vermittelt die Botschaft, dass der Dharma keine Ahnung hat, wie es in der realen Welt zugeht. Er vermittelt den schon seit Jahrhunderten bestehenden aufsteigenden Unfug eines puritanischen, vom Hals an abwärts leblosen Dharma. Er vermittelt die Botschaft, dass der Dharma sich besudelt, wenn er mit Geld in Berührung kommt. Das ist eine absolute Erniedrigung.

Wie ich schon sagte, sollte jede pragmatische Anstrengung unternommen werden, den Dharma jedem zur Verfügung zu stellen, unabhängig von seiner finanziellen Situation (ich komme gleich darauf zurück). Doch das ist ein ganz anderer Standpunkt als der, der sagt, dass für den Dharma niemals etwas gezahlt werden sollte. Dies sind zwei ganz unterschiedliche Themen, den Dharma auch denen zur Verfügung zu stellen, die kein Geld haben, und die Vorstellung, dass für den Dharma nichts zu bezahlen wäre. Ersteres ist lobenswert, nobel und ehrenhaft, letzteres ist pathetisch, zurückgeblieben, regressiv und obszön. Ein Dharma, der sich vor dem Grobstofflichen ekelt: Das ist kein freier Dharma, das ist ein minderwertiger Dharma, behindert durch seine Unfähigkeit den grobstofflichen Bereich mit Fürsorge und Intelligenz zu umarmen. Geld ist die Kraft und Macht der Austauschbeziehungen im grobstofflichen Bereich. Es ist ein absolut angemessener Modus, um Waren und Leistungen im grobstofflichen Bereich zu bewegen. Ein Dharma, der den grobstofflichen Bereich umfasst (und ihn nicht verachtet), ist ein Dharma, der angemessen mit Geld umgeht, und daher auch ein Dharma, der sich in die moderne und postmoderne Welt bewegt, ohne eine verrückte Verherrlichung eines agrarischen, sexistischen, aufsteigenden, puritanischen, gegen den Körper, die Erde und die Frauen gerichteten Standpunktes. Und ihr könnt mir glauben, das alles gehört als ein Paket zusammen.

Das eigentliche Thema stellt sich daher nicht in der Frage, ob Dharma und Dollars sich  jemals begegnen sollten (natürlich sollten sie das), sondern wie wir den Dharma denjenigen zur Verfügung stellen können, die ihn sich nicht leisten können. Wir bringen das Thema damit konkret „auf die Erde“, und können die Fragestellung dabei gleichzeitig auf alle Waren und Leistungen erweitern – der Dharma spielt hierbei keine Sonderrolle.

Ich habe beispielsweise mein Geld an der Universität als Tutor verdient. Ich konnte mich nicht für einen festen Preis entscheiden, weil einige Studenten unglaublich reich, und andere ziemlich arm waren. Ich verlangte daher einen Stundenlohn, der dem entsprach, was sie selbst pro Stunde verdienten (oder was dem entspricht: vom Sohn eines Allgemeinarztes verlangte ich das, was ein Allgemeinarzt pro Stunde verdient). Dies bedeutet, dass ich Leute hatte, die $ 3,75 pro Stunde zahlten (den damaligen Mindestlohn), und ein paar, die etwa $ 100 die Stunde bezahlten (was ihnen merkwürdigerweise nichts auszumachen schien). Mir kam es dabei jedoch niemals in den Sinn, dies als ein Prinzip ganz umsonst zu machen (weil es ein dummes Prinzip ist; und etwas ganz anderes ist, als etwas für wenig Geld oder umsonst zu machen, weil es sich manche sonst nicht leisten könnten). Dieses Prinzip einer gleitenden Skala wird häufig in Anwaltsbüros, in medizinischen Einrichtungen, in der Psychotherapie und bei Sozialleistungen angewandt, und ich mag dieses Prinzip. Leider lässt es sich nur schwer auf Seminare, Retreats und ähnliche Dharmaveranstaltungen übertragen, weil es die Administration sehr kompliziert macht, doch in einigen Bereichen verschiedener Dharma Lehren lässt es sich durchaus kreativ einsetzen.

Ebenso lassen sich unterschiedliche Aktivitäten geldlich differenziert organisieren. Einige Lehrer beispielsweise halten Vorträge, zu denen jeder kommen kann, ohne Geld dafür zu verlangen, und Interessierte können sich dann zu Einzelgesprächen oder Gruppenveranstaltungen, die Geld kosten, eintragen (auch diese Preise können wieder nach einer gleitenden Skala dem Einkommen entsprechend gestaffelt sein, wenn die Umstände das zulassen; gleichzeitig kann die Teilnahme für minderbemittelte, aber ernsthaft Interessierte Praktizierende möglich gemacht werden, jedoch nicht weil der Dharma vom Geld unberührt bleiben sollte, sondern als ein fröhliches Zugeständnis für diejenigen, die wenig Geld haben).

Ein Dharma jedoch, der angeblich „frei“ ist (als ein Zeichen seiner „Reinheit“), was nichts anderes bedeutet als dass dies ein billiger Dharma ist, überbringt die unmissverständliche Botschaft, dass der Dharma nichts wert ist, und dass man selbst ebenso wertlos werden kann, wenn man nur intensiv genug praktiziert. Ebenso wird dabei die Botschaft ausgesandt, dass der Dharma keinerlei Verantwortung übernimmt für den Beziehungsaustausch im grobstofflichen Bereich, und dass man selbst diesbezüglich ebenso unverantwortlich werden kann, wenn man sich diesem Dharma zuwendet. Es wird die Botschaft vermittelt, dass „Befreiung“ und „Inkompetenz im Grobstofflichen“ identisch sind.

Das Schlimmste dabei ist eine um sich greifende Heuchelei: Weil der grobstoffliche beziehungsorientierte Austausch in jedem Fall unvermeidlich ist, muss Geld aus anderen Quellen geschöpft und mit anderen Namen belegt werden. Ein permanentes Umschmeicheln reicher Geldgeber; unterwürfige Hinweise auf einen „reinen“ Dharma, der sich nicht mit schnödem Mammon besudelt; herabwürdigende Lehren und Lehrer für eine “Reinheit“, die sich vor den Anforderungen der wirklichen Welt schämt und versteckt; die sich demütig abwendet von der Strenge finanzieller Gradlinigkeit: und das Ganze dann noch als „frei“ und „rein“ bezeichnet.

Es gibt begnadete Dharma Lehrer mit über 20 Jahren Erfahrung und Weisheit – durch deren Lehren ihren Studenten sehr viel Zeit und Geld (und Leiden) erspart bleiben – die, wenn sie 5 Dollar für ihre Ausgaben verlangen, mit den Zähnen knirschen, ihr Gesicht zu einer Grimasse verziehen, und sich generell unwohl fühlen.

Dies ist keine Transzendenz, dies ist ein jämmerlicher, schuldbeladener Puritanismus. Die Leere wird weder dich noch mich noch irgendjemand anderen von der Verpflichtung angemessener Austauschbeziehungen in der manifesten Welt befreien. Weniger verhaftet zu sein am Geld bedeutet nicht, dass man weniger Geld hat, dies wäre zu simpel gedacht. Weniger verhaftet meint nicht „Finger weg“. Es bedeutet ein würdevolles Berühren und nicht ein zu-Tode-Quetschen. Ich habe fast zehn Jahre lang als Tellerwäscher, Bedienungshilfe und an einer Tankstelle gearbeitet, bis meine Bücher Geld abwarfen, was erst relativ spät geschah. Treja hat mir ein paar Öl- und Gasquellen in Texas vermacht, so dass ich mir jetzt um Geld keine allzu großen Sorgen mehr machen muss. Doch meine Ansichten darüber haben sich nicht geändert: Dollars und Dharma sind nicht nur nicht unverträglich, der Austausch von Geld und Leistungen ist völlig angemessen, ebenso wie angemessene Sexualität und Essen, als eine funktionale Manifestation des Göttlichen im täglichen Leben. Und was herablassende Ansichten wie die vom „schnöden Mammon“ betrifft, kann ich garantieren, dass diese Ansichten aus strukturellen Gründen unauslöschlich verbunden sind mit einem gegen den Körper, die Erde, die Ökologie, den Sex und die Frauen gerichteten Standpunkt: Dies alles gehört zusammen (es ist historisch gesehen zusammen entstanden, und wird auch nur gemeinsam verschwinden. Es besteht bei diesen Themen eine Verbindung durch verborgene Strukturen von Austauschbeziehungen).

Wir werden den Dharma – stoßend und ziehend – in die moderne und postmoderne Welt nur dann hinüberziehen können, wenn jeder einzelne dieser „Anti“-Stand­punkte (Geld, Nahrung, Sex, Körper, Erde, Frauen) gleichzeitig attackiert wird: Sie stehen und fallen gemeinsam.

Es ist Zeit mit dem billigen Dharma aufzuhören; es ist Zeit damit aufzuhören zu sagen, dass der Dharma nichts wert sei; es ist Zeit damit aufzuhören zu sagen, dass ein guter Praktizierender weder Geld noch Ahnung hat; es ist Zeit diesen spirituellen Kindesmissbrauch zu beenden. Es ist Zeit sich im manifesten Bereich mit angemessenen Austauschbeziehungen zu begegnen – von Geld über Nahrung, Sex zu Körper und Erde –, um anzuerkennen, wie Plotin es formulierte, dass diese Erde und alle ihre Bewohner zu gesegneten Wesen werden, und jedes Ereignis durch eine würdevolle Berührung geheiligt wird, und nicht durch Ekel zu desinfizieren ist.

Nachtrag: Das böse Geld

(aus: t-online Nachrichten 17.7.2008)

„Die US-Kreditkrise entwickelt sich immer mehr zum Kriminalfall. Jetzt hat die Justiz Betrugsermittlungen aufgenommen. Im Fadenkreuz stehen nicht nur Einzeltäter, sondern auch große Investmentbanken. Sie sollen das Chaos absichtlich mit verursacht haben – um dann eiskalt zu profitieren. Die Geschichte der Wall Street ist immer schon auch eine Geschichte des Verbrechens gewesen. Eine Geschichte von Betrügern und bösen Buben, von Gaunern und Gangstern. Das liegt in der Natur des Geldes.“

[1] A. d. Ü.: Die Präambel der Verfassung der USA lautet: “We the People of the United States, in Order to form a more perfect Union, establish Justice, insure domestic Tranquility, provide for the common defence, promote the general Welfare, and secure the Blessings of Liberty to ourselves and our Posterity, do ordain and establish this Constitution for the United States of America.”

[2] A. d. Ü.: Im Englischen bedeutet „man“ sowohl Mann als auch Mensch.

[3] A. d. Ü.: eine Bezugnahme auf den achtfachen Pfad des Buddhismus: Rechte Anschauung, Rechte Gesinnung, Rechte Rede, Rechtes Handeln, Rechter Lebenserwerb, Rechtes Streben, Rechte Achtsamkeit, Rechte Sammlung.

(aus: Quelle: Ken Wilber.com, Right Bucks http://www.kenwilber.com/Writings/PDF/RightBucks_GENERAL_b42000.pdf)

(aus: Online Journal 15)

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