Transformation der Emotionen
Monika Frühwirth
Die 3-2-1 Schattenarbeit ist eines der wichtigsten Module einer Integralen Lebenspraxis, wie sie vom Integralen Institut in Boulder, konzipiert wurde. Ein Prozess, der bewährte Elemente der Gestaltarbeit nach C.G. Jung einsetzt, und entweder mit einem Partner/einer Partnerin oder allein durchgeführt werden kann. Es kann eine „Instant-Variante“ (etwa 15 Minuten) oder ein sorgfältigerer und längerer Ablauf gewählt werden. Im ILP Starter Kit wird der Prozess von Diane Hamilton auf sehr berührende Weise mit einigen Mitgliedern des I.I. demonstriert.
Die nun folgendende Stufe einer fortgeschrittenen Schattenarbeit basiert vor allem auf der Praxis buddhistischer Geistesschulung und Visualisierung., ‚Wir konnten diesen nächsten Schritt bei einem Workshop unter der Leitung von Willow Pearson in Boulder kennen lernen. Nach meiner Kenntnis gibt es davon noch kein übersetztes Material.
Ein Überblick zur Orientierung
Stufe 1: 3-2-1: „Sieh es an, sprich mit ihm, sei es“
Stufe 2: 3-2-1°: „Sieh es an, sei es/verfüge darüber & transformiere es“
Stufe 3: 3-2-1-0: „Sieh es an, verfüge darüber und lass’ es los“
Der Schwerpunkt der 3-2-1 Schattenarbeit der Stufe 1 liegt darin, sich eigener Projektionen bewusst zu werden und sie in der Folge zurückzunehmen und dadurch über die darin gebundene Energie zu verfügen. Das gilt auch für die Projektionen anderer auf uns, die wir bei einiger Übung als solche erkennen und benennen lernen, und damit werden sie zu „einem Schuh, den wir uns nicht unbedingt anziehen müssen“. Damit ist gemeint, dass wir der Projektion / dem Angriff nicht noch mehr Energie geben müssen, indem wir auf Behauptungen eingehen, die rein subjektiver Natur sind und in einer unbewussten Verfasstheit wurzeln.
Sobald wir nun diese Emotionen bewusst gemacht und geklärt haben und sie dadurch zur freien Verfügung haben, haben wir mit einiger Übung den Sprung zu einem umfassenderen Bewusstseins getan. Wie nun weiter mit diesen Emotionen verfahren?
Ihre Umwandlung ist der Schwerpunkt der fortgeschrittenen Schattenarbeit der Stufe 2 [3-2-1°]. Wir bewegen uns dabei von einem Fokus auf die Erforschung der höchst subjektiven Schilderung einer quälenden ersten Rang Emotion zu einer fortgeschrittenen, direkten Umwandlung dieser schwierigen Emotion in ihren überpersönlichen emotionalen Weisheitsaspekt. Dies ist eine Praxis, die im tibetischen Buddhismus traditionell geübt wird, vor allem durch die detaillierte Visualisierung der Gottheiten und der Kenntnis ihrer Aspekte.
Hier haben wir nun eine für den westlichen Menschen adaptierte Version, die sich nicht auf die Details von auf Thangkas gemalte Gottheiten bezieht, um die Fähigkeit der Visualisierung zu schulen, sondern menschliche Vorbilder sucht. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die grundlegende Schattenarbeit des ersten Ranges damit transzendiert wird und zugleich enthalten ist. Auf dieser zweiten Stufe steht es dem Übenden den Umständen entsprechend frei, sich auf der persönlichen oder überpersönlichen Ebenen der Schattenarbeit zu widmen. Manchmal ist ein Ansatz des ersten Ranges optimal. Manchmal ist ein Ansatz des zweiten Ranges der geschicktere Weg.
Auf Rang 3 [3-2-1-0] gilt es, die Emotionen auf jeder der drei Stufen loszulassen, zu befreien und in die kausale Weite von Big Mind zu entlassen. Durch konstantes Üben soll dann eine Praxis des 3. Ranges den Zugang zu der frei agierenden emotionalen Weisheit eines wahrhaft integrierten Menschen ermöglichen.
Ebenso wie auf Stufe 1 kann auch eine Arbeit der Stufe 2 allein oder mit der Unterstützung eines aufmerksamen Zuhörers durchgeführt werden. Ist ein Zuhörer anwesend, hat er, im Vergleich zu Stufe 1, eine zusätzliche Aufgabe. Wie gehabt soll er auf den fließenden Verlauf des Prozesses achten und dem Arbeitenden gegebenenfalls weiterhelfen, indem er den zuletzt gesprochenen Satz wiederholt. Zusätzlich hat er in Stufe 2 die Aufgabe, darauf hinzuweisen, ob der Übende gemäß den Vorgaben agiert oder in die persönliche Leidensgeschichte und Schilderung der widrigen Umstände abdriftet. Anders als auf Stufe 1 sind nicht mehr persönliche Verletzungen und daraus resultierende Vorwürfe im Vordergrund, sondern die genaue Kenntnis der Emotion und die Energien eigener Vorbilder, entsprechend der Vajrayana und Yiddam Praxis im tibetischen Buddhismus: Das Ziel als Weg zu nehmen bzw. als Teil der Praxis die Qualitäten eines Lehrers oder. Meditationsbuddhas zu verinnerlichen.
Ärger und Zorn verwandeln sich in Geduld und Klarheit
Eifersucht oder Neid verwandeln sich in unterscheidende Weisheit
Stolz oder Arroganz verwandeln sich in Ebenbürtigkeit (Demut)
Begehren (Gier) oder Leidenschaft verwandeln sich in neutrales Gewahrsein
Verwirrung oder Unwissenheit verwandeln sich in offene Weite (Bewusstheit)
Sehen wir uns einen Ablauf und die Weisheitsaspekte genauer an:
Phase 1:
Jeder beantwortet für sich folgende Fragen und notiert die Antworten:
- Wer ist für dich ein Vorbild für Geduld, Klarheit, Präzision?
- Wer ist für dich ein Vorbild für unterscheidende Weisheit, intellektuelle Analyse und Untersuchung?
- Wer ist für dich ein Vorbild für Aufgeschlossenheit und Empathie und kann den inhärenten Wert aller Wesen und Dinge erkennen?
- Wer ruht in sich selbst und ist für dich ein Vorbild für Ausgeglichenheit, lässt sich nicht von persönlichen Vorlieben und Abneigungen mitreißen?
- Wer ist für dich ein Vorbild für Offenheit und Akzeptanz, begabt mit der Vision des Möglichen und Machbaren und mit einer weiten Perspektive auf alles?
Phase 2
Wähle einen Weisheitsaspekt und erschließe dir seine entsprechende emotionale Qualität im Austausch mit einem Partner, wobei nach einer beliebig festgelegten Zeit die Rollen von Zuhörer und Arbeitenden gewechselt werden.
In einer Kurzmeditation – die angesagt werden kann – visualisiere die Essenz deines Vorbildes als Licht, das du in dein Herz aufnimmst. Vereine deine Selbstwahrnehmung mit dem entsprechenden Weisheitsaspekt dieser Emotion des ersten Ranges, indem du deinen Geist mit dem des Vorbildes auf diese Weise verschmelzen lässt.
Der Prozess im Detail: Transformation einer quälenden 1. Rang Emotion.
Rufe dir eine schwierige, emotional aufgeladene Situation ins Bewusstsein. Etwas, mit dem du gerade ringst. Für den Anfang suche dir einen mittleren Schwierigkeitsgrad auf einer Skala von 1 – 10 aus, nicht ganz unbedeutend, aber auch nicht überwältigend. Etwas, das dich zwar herausfordert, jedoch in diesem Rahmen bearbeitet werden kann.
SIEH DIESES GEFÜHL AN!
Identifiziere diese für dich schwierige Emotion und beschreibe sie deinem Partner. Dabei achte darauf, nicht in die persönliche Geschichte der genaueren Umstände zu gehen. (In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass der Zuhörende von Zeit zu Zeit sachte daran erinnert, zur eigentlichen Emotion zurückzukehren, und im Monolog nicht in den Inhalt der Emotion, bzw. was sie verursacht hat, abzudriften.)
Bleib bei der Wirkung der Emotion selbst. Wie ist sie beschaffen? Wie fühlt sie sich an? Was ist ihr Geschmack, ihre Dynamik? Wie bewegt sich dein Verstand auf diesem ganz spezifischen Ozean der Emotionen?
Wie fühlst du dich dabei auf der Ebene des Körpers, des Verstandes, der Seele und des GEISTES?
VERFÜGE DARÜBER
Übernimm die Verantwortung für diese deine Emotion. Du bist der-/diejenige, der/die sie fühlt. Nochmals: Verfange dich nicht in die persönliche Geschichte der Umstände/Situation! Konzentriere dich vielmehr auf die Tatsache, dass dies deine emotionale Erfahrung ist, aus welchen Gründen immer, die wir zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht näher behandeln wollen.
TRANSFORMIERE ES
Kehre zu deinem Vorbild zurück. Fühle das Licht seiner Gegenwart in deinem Herzen. Lass dich von seiner Gegenwart unterstützen. Sprich dann zu deinem Übungspartner über dein Problem ausschließlich aus der Warte dieser emotionalen Weisheit.
Der Übungspartner macht sich, wenn nötig, Notizen und gibt dann Feedback darüber, welche Wortwahl, welche speziellen Phrasen dabei von ihm als reine emotionale Weisheit empfunden wurden. Wobei zu beachten ist, dass der Partner keine eigenen Interpretationen einfließen lässt, sondern nur die vom Übenden gebrauchten Sätze zitiert, die von ihm als Essenz einer emotionalen Weisheit empfunden wurden.
Falls noch Unklarheit herrscht, wird wieder auf Stufe 1 der Schattenarbeit weitergearbeitet.
An dieser Stelle möchte ich nochmals besonders Willow Pearson danken und verweise auch auf ihre Webseite für einschlägige Seminare und Workshops.
www.lionessroars.org
E-mail: wpearson@integralinstitute.org
“Möge uns allen diese Übung gelingen!”
(aus: IP 11, 2008)