The Many Faces of Terrorism

Politik

The Many Faces of Terrorism

Ken Wilber

Auszüge aus einem Telefon-Interview mit Ken Wilber bei der IF-Tagung am 24.11.2007

Frage: Wir würden  gern etwas mehr über die Fortschritte deiner Arbeit hören. Die nächste Ausgabe unseres Magazins (i.e. i*p 08) wird von der Fachgruppe Integrale Politik gestaltet, und sich auch der kommenden Trilogie, „The Many Faces of Terrorism“ (Die vielen Gesichter des Terrorismus) widmen.

Die im Web veröffentlichen Passagen sind wieder einmal im „Boomeritis“-Stil geschrieben. Einige von uns haben sich in diesem Zusammenhang gefragt: Bevorzugst du diesen Stil, weil er dir mehr Spaß macht oder leichter zu schreiben ist? Warum verwendest du den Roman-Stil ?

Ken Wilber: Ja, ich verstehe das Anliegen hinter dieser Frage. Ich begann an einem Buch über Terrorismus zu arbeiten und merkte, dass es so unglaublich dunkel wurde, ein so sehr schwieriges und deprimierendes Thema, und weiters stellte ich auch fest, dass es so viele Sichtweisen auf diese Materie gibt.

Vor ungefähr 30 Jahren, ehe noch die grüne pluralistische Stufe als führenden Bewusstseinsbewegung entstand, wäre Osama bin Ladens Angriff auf die Vereinigten Staaten am 11. September ganz einfach als unmoralische Handlung gesehen worden.. Aber das Emergieren von Grün hat auf positive und nützliche Weise die Anzahl der Perspektiven erhöht, die Menschen nunmehr einnehmen können. Deshalb ist es einerseits nicht damit abgetan, einen Akt des Terrorismus nur als unmoralisch zu sehen, weil man auch die Perspektive des Gesichtspunkts des Terroristen in Betracht ziehen muss, und andererseits einige Handlungen der Vereinigten Staaten, die als imperialistisch oder kolonialistisch gesehen werden könnten; daraus folgert, dass einige Akte des Terrorismus als angemessene Reaktionen oder sogar als Selbstverteidigung gesehen werden könnten. Dadurch wird die Fragestellung äußerst kompliziert. Und ich wollte diese unterschiedlichen Gesichtspunkte darstellen, indem ich sie im Grunde genommen einigen Handlungsfiguren in den Mund legte. Auf diese Weise konnte ich….

F: Sind diese Personen nicht alle deine Subpersönlichkeiten ?

KW: (Lacht) Ich glaube, jeder Romanschriftsteller wird gefragt, ob der Roman nicht ein Teil seiner selbst ist und ich würde sagen: Sicher – Subperspektiven.

F: Ich mag jene mit den schwarzen Rastalocken.

KW: (heiter) Ja. Und so fand ich mich in gewisser Weise in der Fortsetzung von „Boomeritis“. Das Grundkonzept dafür war, dass es eine Art Wettrennen um die Zukunft gibt, im Sinne des unteren linken Quadraten (Kultur). Einerseits besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Prozentsatz der Menschen auf Petrol, der momentan bei 4 oder 5 % liegt, in den nächsten 10 oder 20 Jahren die 10% Marke erreicht. Und 10% war historisch gesehen immer ein sehr wichtiger Scheidepunkt. Als 10% der westlichen Bevölkerung Orange erreichte, kam es zur französischen und amerikanischen Revolution, dann entstand die Aufklärung. 1959 befand sich 2% derBevölkerung auf Grün. Gegen Ende der 60iger und 70iger Jahre hatte sich der Prozentsatz auf 10% erhöht und befindet sich heute bei 23%. Aber als die Bevölkerung 10% Grün erreichte, gab es einen anderen Scheidepunkt, und wir hatten die Studentenunruhen vom März ’68, ebenso wie die Bürgerrechtsbewegung und so weiter. Wenn also 10% der Bevölkerung den zweiten Rang erreichen, können wir eine weitere Weichenstellung erwarten. Eine Stoßrichtung des Buches ist es, die Art positiver Kapazitäten hervorzuheben, die möglich werden, wenn wir an einer 10%  Marke sind. Addiere das zu der Tatsache, dass das zweite Rang Bewusstsein zehnmal effizienter ist als der erste Rang. Deshalb sollten 10% mit zehnmal mehr Effizienz eine ziemlich außergewöhnliche Veränderung darstellen. Noch einmal, nur 10% der Bevölkerung wird auf dem zweiten Rang sein, aber das wird die führende Bewegung sein. Wir werden entscheidende Veränderungen in der Bildung, im Geschäftsleben und der Politik und so weiter sehen. Genau wie wir das taten, als 10% der Bevölkerung Orange und dann Grün erreichten. Dies ist in Band 1 behandelt und hat sich im Umfang zu einer Triologie entwickelt.

Ein weiteres Konzept ist das eines zukünftigen Computerszenarios, das am Integral Center entwickelt wurde. Da es AQAL verwendet, können damit tatsächlich genauere Vorhersagen getroffen werde. Die meisten Zukunfts-Computerszenarien können noch nicht einmal die Gegenwart zutreffend beschreiben. Man legt Szenarien Daten von vor einem Jahr zugrunde und sie können sogar das, was heute geschieht, nicht zutreffend vorhersagen. Und das liegt daran, dass sie eine Flachlandpsychologie anwenden. Sie nehmen an, dass alle Menschen aus rationalem Eigeninteresse oder Überlebenstrieb oder etwas Ähnlichem heraus handeln – ohne zu erkennen, dass es ein ganzes Spektrum von Motivationen und vorantreibenden Impulsen gibt. Und es wird ein Teil der Bevölkerung 10% erreichen und das wird wie eine Welle die gesamte Kultur durchlaufen.

Im zweiten Band jedoch werden die dazu im Gegensatz stehenden Daten behandelt,  dass sich 70% der Weltbevölkerung auf einer ethnozentrischen Bewusstseinseben  oder niedriger angesiedelt ist. Was in diesem Buch passiert – irgendwo in der Zukunft in etwa 30 Jahren von heute an – ist, dass sich die erste Weltföderation formt. Und diese Weltföderation ist natürlich grün, was sehr wahrscheinlich ist. Und Grün stimmt in einer universellen Demokratie ab: eine Person =  eine Stimme. Und das hat zur Folge, dass somit  rein numerisch die fundamentalistischen Faschisten an die Macht gewählt werden. Mit anderen Worten, Ethnozentrik gewinnt gegen ein weltzentrisches Bewusstsein von nur 10%.

F: Du hast auch festgestellt, dass es wichtig ist, auf welcher Ebene die politische Idee auftaucht. Auf welcher Ebene spricht sie, auf welcher Ebene bewegt sie sich. Also meinst du, die kognitive Linie könnte bei Grün sein oder sogar höher…

KW: Ja. Was derzeit geschieht hat dazu geführt, dass weltweit jeder politische Diskurs im Grunde nach grünen Maßstäben geführt wird. Sogar Terroristen rechtfertigen ihre Handlungen auf der Grundlage von: „Du kannst mich nicht verurteilen. Ich habe ein Recht auf meine Wahrheit. Meine Wahrheit lautet so und so, und du kannst das nicht in Frage stellen. Du kannst nicht sagen, dass das, was ich tue nicht richtig ist’, und so weiter. Und sie benutzen den ganzen extrem pluralistischen Jargon und dieses Kauderwelsch von Grün. Sogar Terroristen benutzen Grün, obwohl ihr Schwerpunkt in Bernstein liegt, mit einem Hang zu Rot. Die Aussagen sind also fast universell grün, aber die Handlungen können grün, orange, bernstein oder sogar rot sein.

Und so ertappte ich mich dabei, wie ich diese Ideen in Form dieses Romans präsentierte. Einfach, weil es eine leichtere Art war, diese sehr, sehr dunklen Streitfragen zu handhaben. Es ist nicht notwendigerweise die beste Art, und eine Menge des tatsächlichen Inhalts wird wieder – wie in „Boomeritis“ – in Form von Vorträgen präsentiert. Ich habe drei dieser Kapitel bereits ins Netz gestellt.

F: Ja. Wir haben sie übersetzt und Auszüge daraus werden in unserem Magazin erscheinen. Wir bemühen uns wirklich, dass diese Dinge möglichst bald gelesen werden.

KW: Ja, gut.Der AQAL-Rahmen kann wirklich jede große politische Partei klassifizieren. Man kann tatsächlich feststellen, ob sie nach innen oder außen-orientiert ist, ob sie konservativ oder progressiv ist, ob sie individualistisch oder kollektivistisch ist und auf welcher Höhe (der Bewusstseinsentwicklung) sie sich befindet. Und das kann auf so gut wie alle bekannten politischen Bewegungen im Lauf der Geschichte angewendet werden. Auf diese Weise können wir wenigstens die Bewegungen klassifizieren, die da draußen existieren und dann können wir ein integrales Verständnis davon entwickeln, was ein integraler Ansatz wäre und die Arten von Untergruppierungen, die in einem tatsächlich integralen politischen System mit einbezogen werden müssten. Dann könnten wir verstehen, dass wir keine Politik haben werden, in der jeder grün ist. Es wird eine Politik sein, in der es rote, bernsteinfarbene, orange und grüne Fraktionen geben wird. Berücksichtigt man das, verändert es das, was wir von der Politik erwarten, und es verändert die Tatsache, dass so gut wie jeder, der heutzutage in der Politik ist, aus Bernstein, Orange oder Grün kommt, und dass deren Sichtweise von Politik in der Überzeugung gründet „Jeder sollte mit mir übereinstimmen“.

F: Es gibt 50 Millionen „kulturell Kreative“, die ihre Selbst-Kontraktion ausdrücken, was erwartest du denn?

KW: Genau das ist es ja. Was diese Leute erwarten, ist Egalitarismus und damit eine Einebnung des menschlichen Potenzials.

(aus: IP 09, 2008)

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