von Michael Habecker [1]
In einer ausführlichen Anmerkung in seinem Hauptwerk Eros, Kosmos Logos[2], hat Ken Wilber eine Theorie der Ethik umrissen, der wir uns in diesem Beitrag zuwenden wollen. Wilbers Wertetheorie basiert auf drei Säulen – dem „Grundwert“, dem „intrinsischen Wert“ und dem „extrinsischen Wert“ -, die alle drei gleichermaßen wichtig sind, jedoch nicht nur nebeneinander stehen, sondern miteinander verbunden sind, woraus ein gewissermaßen natürliches – weil unvermeidbares – Spannungspotential erwächst.
Grundwert
Der Grundwert leitet sich aus den Aussagen der spirituellen Traditionen ab, wonach alle Dinge und Ereignisse, welcher Art auch immer, vollkommene Manifestationen des GEISTES (oder des Einen, des Höchsten, des Absoluten, oder des Göttlichen …) sind. Nichts was in der Welt der materiellen und geistigen Formen existiert, ob es nun als hoch oder niedrig, als heilig oder profan, als primitiv oder fortgeschritten angesehen wird, ist dem Grund des Seins näher oder ferner als irgendein anderes, und deshalb ist alles Geschaffene von letztlich gleichem Wert, und zwar von gleichem Grund-Wert. Alle Formen sind daher in gleicher Weise reine Leere und uranfängliche Reinheit.
Eine typische Aussage aus der buddhistischen Tradition dazu wäre: „Alle Wesen sind ihrer Natur nach Buddha, so wie Eis seiner Natur nach Wasser ist“. Dieser Hinweis auf eine radikale Gleich-Wertigkeit ist kein unüberprüfbares Dogma; es ist eine Aussage, zu deren Überprüfung jeder eingeladen ist. Alle religiösen beziehungsweise spirituellen Traditionen haben im Laufe ihrer Entwicklung unzählige Methoden und Praktiken entwickelt und erprobt, um Menschen die Erfahrung dieser „ursprünglichen Leere“, dieses „Urgrundes“ oder des „Einsseins“ beziehungsweise des „Einen Geschmacks“ zu ermöglichen. Alle Wellen des unermesslichen Ozeans, so groß und zahlreich sie auch immer sein mögen, haben doch ausnahmslos den einen Geschmack der Nassheit, und wer diese Nassheit einmal gekostet hat, der kann aus innerer Erfahrung mit den Mystikern aller Zeiten sagen:
Ohne aus der Tür zu gehen, kennt man die Welt.
Ohne aus dem Fenster zu schauen, sieht man den SINN (Tao) des Himmels.
(Lao-tzu)
Diese Einsicht ist in ihrer Radikalität atemberaubend, und ebenso radikal sind die ethischen Prinzipien, welche daraus abgeleitet werden können: Der Schutz allen Seins ohne Unterschied, so wie die eine Sonne gleichermaßen auf all das Gute und das Böse scheint – ein sehr hoher, weit entwickelter, und das ganze beseelte Universum umfassender ethischer Anspruch. Doch man erkennt auch die Problematik, die daraus entstehen kann, wenn dieses Prinzip alleine zur ethischen Handlungsmaxime wird: es werden keinerlei Unterschiede gemacht, das Absolute erfährt eine Überbetonung gegenüber vor dem Relativen, und jegliches pragmatische Handeln droht lahm gelegt zu werden – wenn alles gleichermaßen göttlich ist, was gibt es da eigentlich noch (ethisch) zu tun? Ist dann nicht auch Ethik eigentlich überflüssig?
Intrinsischer Wert
Der intrinsische Wert, den Wilber auch als „Ganzheits-Wert“ bezeichnet, leitet sich aus der Erfahrung ab, dass jedes „Ding“, jedes Wesen und jedes Geschöpf einen Wert „für sich“ hat, eine Autonomie, die ihm allein zusteht, und durch niemanden aberkannt werden kann. Daraus folgt jedoch auch – und hier kommen die Ebenen des Bewusstseins ins Spiel -, dass je größer die Ganzheit eines Wesens ist, desto größer auch seine Tiefe und sein Wert ist. Je mehr ein Ding oder Wesen etwas von der Totalität der Schöpfung umfängt und verinnerlicht, desto bedeutsamer ist es auch.
Daher sind laut Wilber auch „Zellen bedeutsamer als Moleküle, weil Zellen Moleküle enthalten, und daher mehr Bedeutsamkeit des Kosmos umfassen und enthalten. Ein Affe ist bedeutsamer als eine Zelle, und so weiter“. Wertunterschiede kommen ins Spiel, und mit ihnen die Frage, woher diese kommen und worauf sie sich gründen. Wilber verweist hier auf die evolutionären Forschungen insgesamt, die evolutionäre Biologie, die Entwicklungspsychologie, die entwicklungsorientierte Soziologie usw., denn was am Beispiel Atom-Moleküle-Zelle-Tier-Mensch noch nachvollziehbar ist, wird – wo es um innere Werteprinzipien und Glaubenssätze geht – höchst problematisch: wer kann nach welchen Kriterien beurteilen, was höher oder niedriger, besser oder schlechter ist? An diesem Punkt wird die mögliche Problematik dieses ethischen Prinzips offenbar, wenn es ohne Berücksichtigung der anderen Prinzipien angewendet wird, und z. B. eine bestimmte Ideologie aufgrund dogmatischer Glaubenssätze eine „gegebene“ Werteordnung postuliert, nach der man sich unhinterfragt zu richten hat. Alle totalitären Systeme haben etwas Derartiges hervorgebracht, mit jeweils entsetzlichen Konsequenzen. Es gilt daher bei diesem ethischen Prinzip darauf zu achten, dass die Kriterien einer Entwicklung und Wertigkeit den Grundsätzen einer im weitesten Sinne wissenschaftlichen Überprüfung standhalten, und damit ständig weiterentwickelt und auch korrigiert werden können. Ein einfaches Beispiel: die Entwicklungspsychologie hat herausgefunden, dass sich Menschen in ihrer Entwicklung ganz allgemein von einem egozentrischen zu einen sozio-zentrischen zu einem weltzentrischen Bewusstsein bewegen (bzw. bewegen können), jedenfalls ist eine andere Reihenfolge bisher noch nie beobachtet worden – und genau das ist das Kriterium einer „natürlichen“, weil durch Forschung gestützten hierarchischen Entwicklung, im Gegensatz zu einer auf Dogmen beruhenden (Herrschafts-)Hierarchie.
Auf der Grundlage dieser Forschungsergebnisse kann man sagen, dass eine weltzentrische Perspektive, die alle Menschen berücksichtigt, besser – weil weiter entwickelt – ist als eine sozio-zentrische Perspektive, die nur die Menschen einer bestimmten Volksgruppe oder eines Stammes berücksichtigt, welche wiederum besser ist als die egozentrische Perspektive, die nur sich selbst sieht. Das heißt nicht, dass die egozentrische Perspektive keinen Wert hat, sie hat durchaus einen wichtigen Wert; jeder Mensch durchläuft diese Phase, und Kinder haben ein „Recht“ darauf, ihre Welt im Verlaufe ihrer Entwicklung zunächst so zu sehen. Aber sie ist gegenüber einer welt-zentrischen Perspektive untergeordnet.
Diese Werteordnungen finden in allen Rechtssystemen sämtlicher Kulturen ihren Niederschlag, und wenn es auch große Unterschiede dabei gibt, so ist man sich doch aus den Erfahrungen einer jahrtausendelangen Menschheitsgeschichte weitgehend einig darin, dass Mitgefühl besser ist als Mord, und dementsprechend wird Mord bestraft, und Mitgefühl als eine wünschenswerte Tugend betrachtet. Der Ganzheits-Wert – , und das macht seine Bedeutung für eine integrale Ethik aus – berücksichtigt und würdigt die Tatsache, dass sich die (inneren wie auch die äußeren) Dinge dieser Welt von Anbeginn an entwickeln, und ist so in der Lage, werteorientierte Entscheidungen zu treffen, um die man auf einem kleinen, begrenzten Planeten in Raum und Zeit nicht herumkommt.
Instrumenteller Wert
Die dritte Säule auf der dieses Ethikmodell ruht, bezeichnet Wilber als „extrinsischen“ bzw. instrumentellen Wert. Alle geschaffenen Dinge existieren nicht nur für sich, sondern sind immer auch Teile in anderen Zusammenhängen. Niemand ist eine Insel, nichts besteht isoliert für sich. Wir hängen alle voneinander ab, sind aufeinander bezogen und brauchen einander. Dies wird ganz konkret erfahrbar, wenn wir uns ernähren müssen. Da Tiere und Menschen sich nicht wie Pflanzen von Anorganischem ernähren können, brauchen sie anderes Leben, um selbst leben zu können – oder, wie es einmal formuliert wurde: „die Welt ist ein einziges großes Restaurant“.
Leitet sich aus dem oben beschriebenen intrinsischen Wert eine Rechte-Ethik ab, so folgt aus diesem extrinsischen Wert eine Pflicht-Ethik: das Recht für sich zu sein ist untrennbar verknüpft mit der Pflicht für andere da zu sein, eine Pflicht, die – wenn man das einmal so drastisch formulieren möchte – unzählige pflanzliche und tierische Lebewesen tagtäglich mit ihrem Leben einlösen -, und die uns, die wir auf Nahrung angewiesen sind, mit der Fragestellung konfrontiert: was ist eine ethisch „richtige“ Ernährungsweise? Wie auch immer man diese Frage beantwortet, man kommt um die Feststellung nicht herum, dass alles mit allem verbunden ist, und sich daraus wechselseitige Pflichten ergeben. Ein berühmter Satz von J. F. Kennedy drückt dieses Spannungsfeld in einer Gesellschaft so aus: „Frage dich nicht [nur], was dein Land für dich tun kann, sondern auch, was du für dein Land tun kannst“. Zu einer Diskussion über Menschenrechte gehört auch die Diskussion über Menschenpflichten. Im politischen Kontext wird hier das Spannungsfeld zwischen individuellen Rechten (Meinungsfreiheit, Eigentum, Datenschutz, Reisefreiheit usw.) und kollektiven Pflichten (Steuern und Abgaben, Wehrdienst, öffentliche Sicherheit, Schulpflicht usw.) deutlich. Und natürlich spielt auch die Entwicklung bei dem extrinsischen Wert eine Rolle: je höher ein Individuum entwickelt ist, desto mehr Verantwortung kommt ihm (oder ihr) für das Ganze zu – mehr Rechte bedeuten immer auch mehr Pflichten.
Wilber fasst zusammen[3]:
Jedes Holon im Kósmos besitzt also den gleichen Grund-Wert als reine Manifestation des Geistes oder der Leere. Als bestimmte Ganzheit besitzt jedes Holon außerdem intrinsischen Wert, Tiefen-Wert, weil es Aspekte des Kósmos als Teil seiner selbst in sich birgt (und je mehr solcher Aspekte, desto größer ist seine Tiefe, sein intrinsischer Wert, seine Bedeutsamkeit). Als Teil besitzt jedes Holon extrinsischen oder instrumentellen Wert, weil andere Holons, die ihm äußerlich sind, für ihre eigene Existenz und für ihr eigenes Überleben auf diese oder jene Weise von ihm abhängen (und je mehr Geflechten und Ganzheiten dieses Holon als Teil angehört, desto grundlegender ist es und desto größer ist sein extrinsischer Wert: es ist von instrumenteller Bedeutung für die Existenz so vieler anderer Holons).
Der Grundwert betont die absolute Seite der Schöpfung, die Leere, das unmanifeste Eine, welches Grund und So-heit alles Seins ist. Intrinsischer und extrinsischer Wert betonen die relative Seite der Schöpfung, die Fülle des Seins, mit allen ihren relativen Formen und Unterschieden. Und – wie Wilber sagen würde – beide haben Recht, aber nur teilweise.
Man erkennt die jeweiligen Betonungen dieser ethischen Prinzipien in praktisch allen Lebensbereichen. Um ein Beispiel zu nennen: die östlichen religiösen Traditionen betonen eher den Grundwert. Der Jainismus z. B. ist eine Religion in Indien, welche die Gleichwertigkeit allen Lebens hervorhebt. Die Jainas sind Vegetarier, halten sich sehr streng an das Tötungsverbot, sind asketisch eingestellt und sehen Meditation als eine sehr wichtige Praxis an. Einige ihrer Vertreter tragen sogar Mundbinden, um keine Insekten versehentlich zu verschlucken, und kehren den Boden vor jedem Schritt.
Demgegenüber haben westliche Religionen („macht euch die Erde untertan“) eine starke Betonung des Ganzheits- bzw. Teilwertes ausgebildet. Wer „seinen“ Glauben mit Feuer und Schwert verbreitet und Kreuzzüge veranstaltet, der hat eine klare Werteunterscheidung und weiß ganz genau, auf welcher Seite Gott steht.
Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass – trotz vieler Verbrechen im Namen des „einzig Wahren“ – relative Unterscheidungen ebenso notwendig sind wie absolute Gleichwertigkeiten notwendig sind auf dem Weg zu einer integralen Ethik, die auf den – überprüfbaren – Grundprinzipien der Schöpfung beruht, und nicht auf persönlichen Vorlieben.
Eines der schmerzlichsten Dilemmata überhaupt liegt darin, dass wir uns nicht heraushalten können, da auch jedes „Nicht-tun“ letztlich Konsequenzen hat. Es ist wahr, unermessliches Leid auf dieser Erde ist durch (falsches) Tun entstanden, aber auch das Unterlassen in Situationen, wo Handeln notwendig gewesen wäre, hat unzähligen Menschen und Lebewesen das Leben gekostet. In gewisser Weise können wir nicht anders, als uns gegenseitig auf die Füße zu treten – die Frage ist daher nicht, wie wir Leiden vollständig eliminieren können – diese Frage wäre „nicht von dieser Welt“. Die Frage lautet vielmehr: wie können wir, unter den gegebenen Umständen, und vor dem Hintergrund eines sowohl transzendenten als auch immanenten GEISTES, das Leiden so gering wir möglich halten, und die Freude am Dasein größtmöglich fördern?
Die moralische Grund-Intuition
Wilber fasst den Kern seiner ethischen Konzeption gerne in folgendem Satz zusammen, den er als moralische Grund-Intuition bezeichnet (MGI):
„Erwirke und bewahre die größte Tiefe für die größte Spanne“.
Diese „Intuition“, so Wilber, erfährt jeder Mensch – ja, eigentlich jedes empfindende Wesen – und wendet sie, entsprechend seinem eigenen Bewusstseinsstand, auch an – wobei ab einer bestimmten Bewusstseinsebene der Mensch willens und in der Lage ist, über seine eigene moralische Intuition selbst zu reflektieren, und sich seiner eigenen Ethik und der Ethik anderer Menschen bewusst zu werden – und das ist aufregend, und manchmal auch quälend. Der Mensch ist gewissermaßen noch einmal aus dem Paradies vertrieben worden, und kann sich von diesem Punkt an nicht mehr auf ein „das war mir nicht bewusst“ zurückziehen. Das Bewusstsein wird sich seiner selbst und auch seines eigenen Werdegangs bewusst -, angefangen von einer ausschließlich selbstbezogenen Orientierung, über eine Orientierung an der eigenen Familie und dem Stamm, weiter zu einer nationalen Identität und dann zu einer globalen Identität, bis hin zu einer mitfühlenden Anteilnahme am Schicksal aller empfindenden Wesen dehnt sich – bei fortschreitender Entwicklung – der Kreis der Fürsorge immer weiter aus, als ein empfundenes und gelebtes Mitgefühl. Dieses Bewusstsein ist jedoch nicht auf die individuelle innere Erfahrung beschränkt: es zeigt sich im äußeren Verhalten, findet seinen Niederschlag in den kulturellen, gemeinschaftlichen Werten, und drückt sich auch in den Gesetzen, Institutionen und den organisatorischen Strukturen aus, und kann dort auch (wieder-)erkannt werden.
Was bedeutet nun diese MGI – größte Tiefe für größte Spanne (oder Breite oder Anzahl)?
Die Tiefe berücksichtigt, dass es Ebenen der Entwicklung mit natürlichen Werteabstufungen gibt – eine Mohrrübe ist weniger entwickelt als ein Rind, was der Grund dafür ist, warum viele Menschen weniger Skrupel haben, eine Mohrrübe zu essen als ein Steak, und warum der Tod eines Diktators im Allgemeinen weniger bedauert wird als z. B. der einer Mutter Theresa. Aber – und hier zeigt sich die Problematik von Tiefe: wer sagt, nach welchen Kriterien was höher und was tiefer ist? Spanne hingegen bedeutet Anzahl, und reflektiert den Grundwert der Gleichwertigkeit allen Lebens. Alles Leben ist seinem Wesen nach göttlich und schützenswert – mit der Schattenseite einer pluralistischen Egalität, und der Unfähigkeit Unterscheidungen – und damit auch Entscheidungen – in einer in Raum und Zeit begrenzten Welt zu treffen.
Zu diesem unvermeidlichen und permanenten Dilemma, Tiefe gegen Spanne abzuwägen, sagt Wilber[4]:
Worum wir uns bemühen, ist, dass Menschen über Tiefe und auch über Spanne nachdenken. Wir wollen nicht – mit anderen Worten -, dass nur eines der beiden Konzepte in die Gleichung aufgenommen wird. Wenn man nur über Spanne spricht, das Bestmögliche für die größtmögliche Anzahl, dann bekommt man diese Art von Flachland, wo es heißt: „Nun, die Viren sollen gewinnen, sie sind die meisten, es sind empfindende Wesen, und sie sind … usw.“ … Das ist extrem … eine Art politischer Kommunismus sozusagen, jeder ist gleich, niemand darf auf irgendeine Weise besser sein, diese Art von Extrem.
Doch auch Tiefe hat eine Schattenseite. Jede Art von Faschismus hatte etwas davon: „Wir sind die Stärksten, wir sind die Tiefsten, jeder andere ist nichts wert. Daher können wir sie prügeln, oder töten, oder überfallen oder vergasen, oder was auch immer.“ Dies ist die Schattenseite, wenn man nur auf die Tiefe schaut. Was ich daher sage ist: Es gibt beides, Tiefe und Spanne, und die moralische Grundintuition besteht darin, die größte Tiefe für die größte Spanne zu bewirken. Das geschieht meiner Ansicht nach sowieso, und sollte auch geschehen – und es verhindert, dass man entweder ein Kommunist oder ein Faschist ist. Es ist dabei untersagt, einfach nur das eine oder nur das andere zu tun. Beide sind wichtig.
Und das finde ich sehr interessant, denn ich denke, dass wir ohnedies immer mit diesen Dilemmata konfrontiert sind. Einer der so etwas wie letzten Gründe dafür, warum ich meine, dass es gut ist, zumindest darüber nachzudenken, besteht darin, dass wir heutzutage eine Art von Egalitarismus haben, welcher auf vielerlei Weise sehr gesund und großartig ist, aber wir nehmen dabei auch die Tiefe aus allen unseren Diskussionen heraus. Von jedem wird angenommen, dass er gleich ist, und er soll vor allem nicht über Tiefe nachdenken. Ich bin der Ansicht, dass diese Haltung wirkliche Schattenseiten hat, das kann auf eine eigene Weise totalitär und dominierend sein. Daher ist es wichtig, auch über Tiefe nachzudenken.
1. Leben für Leben opfern
Als wirklicher Test eines jeden ethischen Modells gilt die Rettungsbootsituation – zehn sitzen drin, drei müssen raus – wer geht?
Dazu einige (wenige) Beispiele, als eine Anregung zur Einstimmung auf ein komplexes Themenfeld.
Als eine Konsequenz aus den Ereignissen des 11. September hat die deutsche Bundesregierung ein Luftsicherheitsgesetz verabschiedet, welches den Verteidigungsminister – als „letztes Mittel“ -, ermächtigt, ein Flugzeug durch die Bundeswehr abschießen zu lassen, falls die gesicherte Vermutung besteht, dass dieses Flugzeug als Waffe eingesetzt wird, bei dem der Tod einer weiteren und größeren Zahl von Menschen angenommen werden muss. Dies bedeutet ein Opfern auch unschuldiger Menschen, um ein vermutetes größeres Übel abzuwenden, was man jedoch, falls es zu einem Abschuss kommt, nie genau wissen wird. Ein staatlich legitimiertes Töten also, welches Leben nimmt um anderes Leben zu schützen – die größte Spanne für die größte Tiefe. Ein quälendes Dilemma, wenn man sich die Umstände vorstellt, unter denen eine derartige Entscheidung zu treffen ist.
2. Folter
Folter wird zu Recht als eine „Geißel der Menschheit“ bezeichnet. Sie hat unzähliges Leid über unzählige Menschen gebracht, bis hin zu den jüngsten entsetzlichen Ereignissen im Irak. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach einer weltweiten Ächtung der Folter „unter allen Umständen“ nur allzu verständlich[5]. Aber das Leben selbst – so scheint es – rüttelt immer wieder an unseren ethischen Tabus. Etwa zeitgleich mit dem Bekanntwerden der Folterungen im Irak wurde eine Kindesentführung in Deutschland durch die Androhung von Folter gegenüber dem Täter aufgeklärt. Der ansonsten geständige Täter wollte das Versteck, in dem er das Entführungsopfer gefangen hielt, der Polizei nicht mitteilen, worauf der vernehmende Beamte ihm mit Folter drohte. Daraufhin brach der Täter sein Schweigen, und die Polizei konnte das Entführungsopfer finden, welches jedoch – was die Polizei zum Zeitpunkt der Vernehmung nicht wusste – bereits tot war.
Der Polizist und sein Vorgesetzter, ein Polizeivizepräsident, wurden wegen Nötigung (§ 240 StGB) angeklagt, und mit einer Geldstrafe auf Bewährung milde abgeurteilt.
Ist Folter – unter allen Umständen – tabu und zu ächten, oder kann es – die größte Tiefe für die größte Spanne – Umstände geben, die es rechtfertigen, einem MenschenSchmerzen anzudrohen und sogar zuzufügen, um damit noch viel größeres Leid zu verhindern? Ich kann mir Situationen vorstellen wo dies zu vertreten, ja vielleicht sogar – wiederum als letztes Mittel – sogar geboten ist, aber die Gefahr des Missbrauchs einer derartigen „Lizenz zum Quälen“ lauert dabei immer im Hintergrund – wie die Vorgänge auf der amerikanischen Gefangenenbasis Guantanamo Bay uns gerade wieder vor Augen führen. Die quälende Frage bleibt: Wo beginnt (und endet möglicherweise) die Würde eines Kindesentführers oder anderer Verbrecher, wie weit gehen die Rechte dieser Menschen, und wo stehen sie in der Pflicht und Verantwortung (z. B. der Auskunftspflicht über geplante oder bereits durchgeführte Verbrechen), der sie sich nicht entziehen sollten?
3. Kriege und militärisches Eingreifen
Angesichts der kriegerischen Ereignisse der jüngeren Vergangenheit auch in Europa ist die Haltung „kein Krieg, unter welchen Umstände auch immer“ auf dem Rückzug. Selbst in der Bundesrepublik, wo in den Jahren nach 1968 große Teile der Bevölkerung jedem kriegerischen Eingreifen ablehnend gegenüberstanden, hat sich ein Stimmungsumschwung ereignet. Situationen wie im ehemaligen Jugoslawien, wo „ethnische Säuberungen“ monatelang jeden Tag „live“ per Fernseher in die Wohnzimmer übertragen wurden, haben mehrheitlich zu der Überzeugung geführt, dass es Situationen gibt, wo ein militärischen Eingreifen, d.h. ein kriegerisches Vorgehen – aus Gründen der Menschlichkeit – geboten ist, auch unter Inkaufnahme unschuldiger Opfer. Aber wo ist die Grenze? Ab wann handelt es sich nicht mehr um die innere Angelegenheit eines Landes, sondern um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, welches von der Menschheit, gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln, beendet werden sollte? Und wie sollten die internationalen Entscheidungsstrukturen und Institutionen aussehen, die derartige Entscheidungen treffen?
Im Sudan sind in den letzten Jahren bis zu zwei Millionen Menschen kämpferischen – richtigerweise müsste man sagen organisierten verbrecherischen – Handlungen zum Opfer gefallen, direkt oder indirekt durch Mord, Vertreibung und Hunger. Ist das eine „innere Angelegenheit“ des Sudan, oder eine innere Angelegenheit Afrikas, oder ist es nicht vielmehr eine Angelegenheit der Menschheit insgesamt – eine Aufgabe für eine Weltpolizei, diesem mörderischen Treiben entgegenzutreten – um auch in diesem Teil der Welt für die „Würde des Menschen“ einzutreten? Kommt hier – in Form des Prinzips der Nicht-Einmischung – ein egalitärer Pluralismus zur Anwendung, für den es keine höheren, universellen Werte gibt, und der daher auch Bewertungen meidet[6], oder bedeutet das viel zitierte Leben auf „einer Welt“ nicht auch so etwas wie globale Nachbarschaft, mit der Verpflichtung in der Not einander zu helfen? Die Vereinten Nationen haben kürzlich beschlossen, 10.000 UN Soldaten in den Sudan zu schicken. Und wieder die quälende Frage: ab wann – wenn überhaupt – soll und muss man eingreifen: müssen es erst 1.000 Tote, 10.000, 100.000 oder 1.000.000 sein?
Beispiel Ruanda: Vor elf Jahren wurden dort innerhalb von 100 Tagen zwischen 800.000 und eine Million Angehörige des Volksstammes der Tutsi getötet. Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, und der damalige US Präsident Bill Clinton haben sich im Jahr 2000 beim ruandischen Volk entschuldigt, wobei Kofi Annan gegenüber den Überlebenden von Ruanda bekannte: „Wir werden nicht leugnen, dass die Welt gegenüber dem ruandischen Volk in der Stunde seiner größten Not versagt hat.“ Die UN haben vor kurzem den 7. April zum „International Day of Reflection on the 1994 Genocide in Rwanda“ erklärt[7].
4. Tyrannenmord
Der 20. Juli ist ein besonderer Tag in Deutschland, und auch darüber hinaus. Vergangenes Jahr [2004] vor 60 Jahren scheiterte an diesem Tag das Attentat gegen Hitler – sämtliche Beteiligte wurden erhängt oder erschossen.
In einem gesellschaftlich beispiellosen Konsens würdigen wir heute kollektiv die Männer und Frauen des Widerstandes gegen Hitler und den Faschismus, und alle sind sich – was selten genug vorkommt – einig: Regierung und Opposition, Arbeitgeber und Gewerkschaften, kirchliche und weltliche Verbände, Männer und Frauen gleichermaßen. Wir machen dabei keine Unterschiede zwischen friedlichem Widerstand und Widerstand unter Einsatz von Gewalt. Gerade das Datum des gescheiterten Bombenattentats auf Hitler wurde als Gedenktag gewählt.
Wir akzeptieren (kollektiv) den Tyrannenmord – unter den damaligen Umständen – auch unter Inkaufnahme „unschuldiger“ Opfer, also derjenigen Personen, die zufällig zum Zeitpunkt des Zündens der Bombe mit Hitler in einem Raum waren. Was bei einer rein strukturellen Betrachtungsweise die Merkmale von Terrorismus hat – eine in einer Aktentasche versteckte Bombe wird in einem vollbesetzten Raum zur Zündung gebracht – bekommt vor dem damaligen Hintergrund ein ganz anderes ethisches Gewicht. Wir akzeptieren (kollektiv) eine Form der Selbstjustiz, und verneigen uns vor den Männern und Frauen des 20. Juli 1944.
Doch was bedeutet das für die Auseinandersetzung mit den bestehenden Tyranneien in der Welt? Darf z. B. Amerika „auf eigene Faust“ einen Krieg gegen einen Diktator beginnen[8]? Darf man das – auch unter Kriegsgegnern unbestrittene – hunderttausendfache Leid, welches das Hussein-Regime seinen Landsleuten angetan hat, mit dem Leid eines Krieges und der sich daran anschließenden leidvollen Zeit einer politischen und gesellschaftlichen Instabilität beenden? Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Reaktion der Kriegsgegner: Zu Zeiten der Hussein-Diktatur fielen Hunderttausende der Willkür dieses Terrorregimes zum Opfer. Dies bleibt jedoch weitgehend unbeachtet: keine Friedensdemos, Mahnwachen, Gebete und öffentliche Empörungen – und auch keine politischen Aktivitäten. Die Devise war: „business as usual“. Als jedoch die Amerikaner anfingen Bomben auf Bagdad abzuwerfen, erwachte plötzlich das allgemeine Mitgefühl für die Leiden der Iraker, und es begann eine Welle von Protestdemonstrationen, die dann mit dem Ende des Krieges ebenso abrupt endete, wie sie begonnen hatte. Und jetzt, wo das Leiden der Iraker unter einem beispiellos brutalen Terror weitergeht, demonstriert niemand mehr für Frieden und gegen Terror im Irak.
So verständlich die Empörung und das Entsetzen über einen „auf eigene Faust“ und mit haltlosen Begründungen begonnen Krieg auch sind, so müssen sich diejenigen, die dagegen demonstrieren doch auch fragen lassen, warum sie nicht auch schon vorher auf die Straße gegangen sind, und warum sie nicht jetzt auch gegen den Terror demonstrieren. Geht es ihnen wirklich um das Beenden des Leidens eines Volkes, oder geht es ihnen in Wahrheit um etwas anderes?
Die brennende politische Frage in diesem Zusammenhang lautet für mich: Wie könnte eine Weltordnung aussehen, die sowohl einem Saddam Hussein nicht erlaubt, jahrelang sein eigenes Volk zu terrorisieren, und einem George Bush nicht erlaubt, auf eigene Faust eine Krieg zu beginnen?
Tierversuche, Gentechnik, Embryonenforschung, Organspende … die Liste der Dilemmata ist lang, und wird, so scheint es, mit zunehmender Bewusstheit immer länger, weil immer mehr empfindende Wesen in den Kreis der Fürsorge mit aufgenommen werden. Darf man Tiere töten, um sich zu ernähren? Wo ist die Grenze, falls es eine gibt, und wie ist es z. B. mit den Tibetern, die sich, aufgrund der klimatischen Verhältnisse in ihrem Land, seit Generationen nur von Fleisch ernähren können, und deren Physiologie sich darauf eingestellt hat? Der Dalai Lama hat versucht sich fleischlos zu ernähren und wurde krank; darf er, als spiritueller Mensch, Fleisch essen?
5. Abtreibung
Laut statistischem Bundesamt gab es 2004 in Deutschland 129600 Abtreibungen[9]. Leben gegen Leben – das Leben einer Mutter ohne ein (weiteres) Kind wird abgewogen gegen das Leben eines werdenden Kindes. Wo ist hier die „richtige“ Mitte zwischen einem „Mein Bauch gehört mir“, wo alle Rechte bei der werdenden Mutter liegen, und alle Pflichten beim Fötus, und einem „Abtreibung ist Mord“-Verdikt, mit genau der umgekehrten Verteilung von Rechten und Pflichten? Die meisten der demokratisch verfassten Staaten sind der Auffassung, dass etwa in den ersten drei Monaten der Fötus eine geringere „Tiefe“ hat als die Interessenlage der Mutter, so dass sie abtreiben kann, wenn sie das wünscht, und nicht nur, wenn ihr Leben bedroht ist. Es kann sein, dass das Ausmaß an Leiden und Sorgen in ihrem Leben, sofern sie das Kind in die Welt bringt, derart groß ist, dass die Tiefe-gegen-Spanne Abwägung in diesem Fall zu ihren Gunsten ausfällt. Vom dritten bis zum sechsten Monat und darüber hinaus verändert sich das, und der Fötus hat ausreichend Tiefe, so dass es nicht mehr erlaubt ist ihn – sozusagen – wie eine Nicht-Wesenheit zu behandeln. So weit die gesetzliche Regelung, als Spiegelbild eines kollektiven Bewusstseins. Die persönliche Entscheidung wird einem dadurch jedoch nicht abgenommen, sondern bleibt in jedem Einzelfall ein schwieriges Dilemma.
Entscheidungen und Bewusstsein
Worum es bei all dem geht ist – einmal mehr – Bewusstwerdung, und eine bewusste ethische Lebenspraxis, im eigenen Inneren wie im Außen, im Individuellen wie auch im Kollektiven. Es gibt bei der MGI – darauf weist Wilber immer wieder hin – keine Musterlösungen, es handelt sich um keine mathematische Aufgabe, die durch das Einsetzen von verschiedenen Variablen zu einer eindeutigen Lösung führt. Wir müssen uns alle, jeder für sich, und dann miteinander, darüber verständigen, wie wir die größte Tiefe für die größte Anzahl ereichen wollen, und keines davon darf vernachlässigt werden, – mit allen damit verbundenen Risiken und schmerzvollen Entscheidungen.
Diese konkrete Art von ethischer Betrachtung macht ehrlich, sie verlangt, dass die eigenen Karten auf den Tisch gelegt werden, sie macht individuelle und kollektive blinde Flecken sichtbar, zeigt Entwicklungsunterschiede auf, lässt zukünftige Entwicklungen offen, lenkt auch den Blick auf Strukturen und Institutionen, zwingt dazu, implizit vorgenommene Wertungen explizit zu machen, und sie ist – und das ist entscheidend – , auf einer Wissenschaft der Intersubjektivität gegründet, einer Wissenschaft der Ethik und des Guten, und nicht auf Dogma und Vorurteil. Mitgefühl ist besser als Mord, und ein weltzentrisches Bewusstsein ist besser als ein sozio-zentrisches Bewusstsein, welches wiederum besser ist als ein egozentrisches Bewusstsein. 10.000 (oder mehr) Jahre der Menschheitsgeschichte haben uns dies immer wieder vor Augen geführt. Es lohnt sich dafür einzustehen, und wir sind dies auch unseren Vorgängern schuldig, die nicht selten unter dem Einsatz ihres Lebens für diese Wahrheiten eingetreten sind. Doch wir sind ebenso zur Achtsamkeit und Sorgfalt auf diesem Weg aufgerufen, und zum Ausleuchten der eigenen Schatten und Unvollkommenheiten. Nur allzu oft wurden unter dem Vorwand der Verbreitung von Wahrheit die abscheulichsten Verbrechen begangen.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Mit diesem beginnt, nach der Präambel, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin jedes Mal aufs Neue tief bewegt von seiner – alle Menschen einschließenden – ethischen Kraft. Es ist erstaunlich und Ehrfurcht gebietend, welchen weiten – und leidensvollen – Weg die Menschheit zurückgelegt hat, um diesen hohen Anspruch nicht nur individuell zu denken, sondern ihn auch kollektiv in einer Verfassung niederzuschreiben, und zur Maxime staatlichen Handels zu erklären. Die Würde des Menschen ist unantastbar, und zwar überall auf der Welt.
Doch es gibt Situationen, wo die Würde eines Menschen gegen die Würde eines anderen abgewogen werden muss, und wo Leid gegen Leid steht; wie und worauf begründet entscheiden wir uns dann? Und wie treten wir, die wir uns der Würde aller Menschen verpflichtet fühlen, denjenigen gegenüber, die sich nicht daran halten, und die Menschenrechte mit Füßen treten?
Die Entwicklung von immer besseren Antworten und Handlungsweisen auf diese Fragen ist eine der großen Aufgaben der Menschheit – und damit von uns allen.
[1] Dieser Artikel wurde im Sommer 2005 geschrieben, und in dem Buch Ken Wilber – die integrale (R)evolution veröffentlicht.
[2] Eros Kosmos Logos, Krüger Verlag, 1996 S. 597f..
[3] Mit Holon bezeichnet Wilber ein Teil/Ganzes und weist darauf hin, dass alles Geschaffene (materiell oder geistig) sowohl Teil als auch Ganzes ist.
[4] Sounds true, Kosmic Counsciousness, CD 9.
[5] „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“, so steht es in der am 07.08.1952 von Deutschland ratifizierten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte.
[6] Oft ohne zu merken, dass das Vermeiden von Wertungen selbst eine versteckte Wertung darstellt: „Keine Wertungen zu haben ist besser als zu werten“ ist ein Werteurteil.
[7] Zitiert aus: Ruanda, Bericht von einem Besuch zehn Jahre nach dem Völkermord, Zeitschrift Praxis der Systemaufstellung, S. 12.
[8] Wobei dieser Krieg anfangs nicht „humanitär“, sondern mit der Vernichtung von behaupteten/vermuteten Massenvernichtungsmittel begründet wurde, ein Verdacht, der sich als falsch herausgestellt hat.
[9] www.destatis.de