Anna Platsch
Solange noch irgendwo auf der Welt auch nur ein Mädchen nicht willkommen ist, weil es ein Mädchen ist, solange noch irgendwo auf der Welt dieses Mädchen, wenn es erwachsen ist, Einschränkung erlebt, weil es/sie eine Frau ist – solange gibt es noch eine Frauenfrage. Sie ist Menschenfrage. Solange sind sowohl der (innere weibliche Anteil im) Mann als auch wir moderne Frauen nicht im friedvollen Gleichgewicht – auch wenn viele von uns „befreiten“ Frauen inzwischen das Geschenk hatten, einen unendlichen Raum jenseits des Geschlechts zu betreten. Jetzt geht es darum, gerade aus diesem Raum heraus, Felder zu erschaffen, die sich heilsam auch auf jenes ferne Mädchen und jene nahe Frau und damit auf die ganze Menschheit auswirken können.

Wie jedes Modell zerrinnt auch dieses unter den Fingern, sobald man es tiefer und tiefer anfasst. Was soll’s – möge es einfach erst einmal als Inspiration dienen, als zu Öffnung oder Widerstand anregen.
Es ist ja nicht so, dass die alten Bilder nicht mehr wirken. Das wissen wir inzwischen. Und spätestens seit der Arbeit von Byron Katie [The Work] ist klar, wie tiefgreifend diese Wirkung ist. Insofern kann es nicht nur um die Auflösung der alten Bilder gehen, sondern für den Übergang brauchen wir auch neue Bilder, um überhaupt eine Sprache zu finden, die sich dem Neuen annähert.
In der letzten Welle der Frauenbewegung haben viele von uns versucht, das, was uns zugeschrieben wird, in seinem Wert zu sehen. Also die Fähigkeit, gut für andere zu sorgen, ist genau das, was in der Welt fehlt. Wichtiger Schritt. Und doch blieben damit in einer Weise die alten Bilder bestehen. Klar war, dass es nicht mehr die Vermännlichung sein kann. Einige haben versucht, Bilder aus anderen oder alten Kulturen heranzuziehen, um unser enges Frauenbild irgendwie auszudehnen. Oft bleiben diese Bilder an den fremden oder alten Kulturen kleben und schaffen es nicht, sich für uns mit Leben zu füllen.
Und sie bleiben letztlich in Newtons flacher, objekthaften Sichtweise des Menschen.
In unserer Zeit des Umbruch oder Paradigmenwechsels ist es klar, dass die Einbeziehung unserer tiefsten, essenziellen Wesensnatur, das Bewusstsein des Einsseins mit in dieses Bild gehört. Dieser tiefste Grund, in dem wir weder männlich noch weiblich und auch alles sind…
Diese neue Frau steht im Bezug zum großen Ganzen und zum ganz Kleinen. Das heißt, sie ist sich ihrer wahren Größe bewusst. Und wir brauchen nach so vielen Jahrhunderten der Enge wirklich weite Bilder:
Die neue Frau im Kosmos
Das Rad, der Kreis, ist für mich ein Bild der ständigen Bewegung. Statik (Newtons Weltbild) gibt es nicht mehr. Das Rad hat eine innere Mitte, ohne die es sich nicht bewegen kann. Diese Mitte ist still. Absolut still und friedvoll. Wenn diese Mitte einen Geschmack hat, dann den der allumfassenden Liebe, die wir sind. In der Bewegung des Lebenskreises ist diese Mitte der einzige Bezugspunkt, das einzig Handelnde.
Wahrhaftigkeit ist für mich der Ausdruck der Wahrheit – Wahrheit im Sinne des essenziellen Bewusstseins, des Göttlichen, der unendlichen Weite, des Lebens selbst – wie auch immer wir es nennen. In fast allen religiösen und späteren psychologischen Schulen wird uns Frauen das Anhaften zugeschrieben. Also nehmen wir doch jetzt diese wunderbare Fähigkeit und haften wir jetzt an der Wahrheit: Wahr-haftigkeit. Diese „Haftigkeit“ ist das Bild dafür, dass es jetzt, nach all den Jahren unserer Selbst-Verwahrheitung um den Ausdruck dessen in der Welt geht. Es genügt nicht mehr, schöne Einheitserfahrungen zu haben – es geht um die Frage: Wie drücken wir diese Erfahrung in der Welt aus? Zum Wohle aller. Und wer sonst, wenn nicht wir Frauen wären prädestiniert, diesen Ausdruck in die Welt zu bringen, sollen wir doch diesen wunderbaren Bezug zur Materie haben. Es scheint jetzt unsere Zeit zu sein!
Sie respektiert sich selbst aus dem Innersten
Das ist radikale Bezugnahme. Unsere Fähigkeit, in Beziehung zu sein, hat sich vollkommen gewendet. Die neue Frau nimmt diese Fähigkeit, dreht sie um hundertachtzig Grad und bezieht sich ausschließlich auf ihr Innerstes. Nicht auf ihr Inneres – also nicht Bauchgefühl und Emotion, dieser unterschiedlichen Ebenen ist sie sich bewusst – auf ihr Innerstes, jenen raumlosen Raum der Liebe. Ihr ganzes Handeln, Empfangen, Bezugnehmen nach außen, Gestalten des Lebens, ist aus dieser Quelle, nur aus dieser Quelle gespeist.
Das bedeutet auch, dass alles sich selbst Erkennen endlich in tiefer Liebe und reiner Unschuld geschieht. Sonst kann es nicht geschehen. Die Spirale im Inneren des Rades zeigt nicht nur die große innewohnende Dynamik unseres Seins, sie spiegelt auch das Prozesshafte unseres Hier-Seins. Wir sind Lernende. Wo immer wir sind. Und das war so schwer für uns, solang der Bezug zur innersten Liebe nicht hergestellt war. Wirkliches Lernen war nicht möglich in den Bildern unserer Angst, Schuld und Minderwertigkeit.
Dieser Aspekt der inneren Bezugnahme gilt für alle anderen Punkte im Kreis klar, eindeutig und kompromisslos.
Das ist kein Egoismus – im Gegenteil. Dadurch, dass das Größere in uns Bezugspunkt wird, wir in eine universelle Liebe eingetaucht sind, haben wir endlich, endlich keinen Mangel mehr. Egoistisch war unser Handeln aus dem Mangel heraus – denn es sollte dazu dienen, jenen Abgrund in uns zu füllen. Was nie klappte; weder mit Mann, Kind, Hungern, Helfen, Ehrgeiz oder Einkaufen.
Sie nimmt ihre eigene Wahrnehmung aus dem Innersten als einziges Bezugssystem und tritt damit heiter nach außen (Ende der Manipulation)
Hier geschieht jetzt der erste Schritt nach außen. Und diese Art des Gehens bedeutet das Ende der Manipulation. Wir haben solange manipuliert, weil wir keine Erfahrung in den direkten Wegen hatten – aus unserer Geschichte heraus. Und ich möchte meinen Bruder Mann immer wieder einmal einladen, sich wirklich vorzustellen, was das eigentlich bedeutet.
Manipulation war ein wichtiger Weg, um uns überhaupt auszudrücken, um überhaupt etwas zu bewegen. Aber auch das gehört dem alten Paradigma an. Wir sind jetzt in der Lage, in Wahrhaftigkeit nach vorne zu treten, auch wenn der Schritt manchmal scheu und leise ist. Wie wertvoll. Wir sind in der Lage, klar JA und klar NEIN zu sagen, wir sind in der Lage, den Impulsen in uns zu folgen. Dort ist kein „Entscheiden“ im alten Sinne – nur Handeln, Empfangen, Nichthandeln. Es handelt oder handelt eben nicht.
Diese Wahrhaftigkeit hat nichts Schweres, sie trägt ein grundsätzliches Lächeln in sich, denn sie ist ja Ausdruck des Lebens – und das ist leicht.
Sie benennt freundlich und furchtlos die Dinge der Welt (weibliche Sprachbegabung)
Also – wenn wir so sprachgewandt und –begabt sind, dann ran an das Benennen. Das Benennen, angebunden an unseren Wesenskern. Das ist dann nicht opfervoll, nörgelnd, weinerlich, wütend, rebellisch, kritisierend – nur freundlich und furchtlos. Vor allem ist diesem Benennen eine klare Wahrnehmung des ganzen Täuschungsmanövers, in dem wir leben, innewohnend. Und zwar im doppelten Sinne. Was ist wirklich wahr? Ist die eine Ebene. Da suchen wir noch nach zeitgemäßer Sprache.
Und die andere Ebene ist das, wasim Sichtbaren geschieht auf unserer Erde. Wir machen ja mit. Wir wissen alle, was uns zum Beispiel der Börsengang der Bahn bringen wird. Alle Verantwortlichen erzählen uns das Gegenteil. Glauben wir es?
Was kaufen wir? Welche Bedingungen dulden wir für unsere Kinder? Wie gehen wir in unseren Arbeitszusammenhängen miteinander, mit Vorgesetzen, mit Untergeben um? Wie beteiligen wir uns an der inneren Verwahrlosung? Wie beteiligen wir uns an der Zermürbung der ärmeren Länder? Freundlich und furchtlos benennend? Wo ist da unsere Stimme? Es führt in unsere eigene Aufrichtung.
Sie steht in reiner Lebensfreude vorne
Jetzt ist Schluss mit Leiden. Wir haben so einen direkten Kontakt zum Leben, und das ist reinste, unsagbare Freude. Die direkteste Art, dem Leiden auf der Erde entgegenzutreten, ist, sich selbst in der innersten Freude, die wir sind, in die Welt zu werfen. Was für eine Alternative zu unserem rebellischen Opfergenörgel oder unsere Wichtiger-Mann-Imitation. Welch ein Aufatmen. Für uns und die anderen. Wie kann ich etwas für die Leidenden dieses wunderbaren Planeten tun, wenn ich selbst leide? Ein irrwitziges Unterfangen.
Sie sieht sich und die anderen (Männer, Kinder, andere Frauen, ferne fremde Menschen, Natur) in ihrem essenziellen Wesenskern, ihrer innewohnenden Schönheit und Majestät
Das ist ein grundsätzlich anderer Blick, wenn ich auf das Innerste des oder der anderen blicke – von meinem Innersten aus. Es ist dieses tiefe, tiefe unendliche Sehen in den Augen hinter den Augen des anderen. Dort, wo man sich in sich selbst trifft.
Dieser Blick bleibt nicht nörgelnd an dem hängen, was oder wie der/die anderer etwas tut. Wenn das, was der andere tut, der neuen Frau nicht gefällt, weil es ihr zum Beispiel nicht gut tut, dann weiß sie, dass sie selbst frei ist und handeln kann. Sie verlagert nicht mehr ihre eigene Handlungsunfähigkeit (die ihre zu würdigende Berechtigung in der Geschichte hat, die aber vorbei ist) auf ein Sei-doch-anders! Gezerre an den Partner. Da sie selbst frei ist, absolut frei in ihrem Bezugspunkt nach innen, weiß sie den nächsten Schritt.
Sie liebt nicht mehr ab-göttisch, nicht mehr ab-wertend, nicht mehr ab-verlangend, sie liebt in-göttlich.
Wie können wir Respekt und Würdigung vom anderen Mann/Kind/der Kollegin erwarten, wenn wir sie selbst nicht respektieren? Das ist die so grundsätzliche Frage, um die die neue Frau im Kosmos weiß.
Wenn wir das Anliegen haben, gewürdigt zu werden, dann richten wir uns innerlich auf, sind uns unserer Würde bewusst, und verschenken sie in großen und kleinen Würfen, jene unendliche Würde des Daseins, an alle in unserer Nähe und Ferne. So kreieren wir ein Feld.
Sie verfügt über eine klare Unterscheidungsfähigkeit, was welche Reaktion auf welcher Ebene braucht
Die anderen in ihrer Wesenhaftigkeit sehen heißt auf der Ebene des Zusammenseins nicht, in einer süßen Soße schwimmen. Die neue Frau im Kosmos kann brillant-klar unterscheiden. Sie weiß, was wichtig und was unwichtig ist (Gemeinwohl vs. Aufrolltechnik einer Zahnpastatube), denn sie hat ein weites Bezugssystem (Innerstes/Kosmos), sie weiß, wann nein und wann ja ist, wo Öffnung, wo Grenze ist, wo Schutz für sich oder andere angebracht ist und wo nicht, wo der Raum ist, dass der/die andere seine/ihre ureigenste Erfahrung macht.
Das eine ist, bewusst zu konsumieren (oder nicht zu konsumieren), kein T-Shirt made in Kinderarbeit zu kaufen, die andere, größere Ebene ist, keinen inneren Mangel zu haben, der das ganze System überhaupt erst ermöglicht. Wenn ich zutiefst in meinem Innersten ruhe, ist kein Mangel. Dasselbe in der Ökologie – auf der einen Ebene der intellektuell erlernte Umgang mit Wissen und praktischen Regeln über Müllsortierung und biologischen Einkauf, aber weiter ist die Erfahrung, aus einender Liebe heraus zu handeln.
Sie weiß zu unterscheiden, in sich und anderen, welches Bedürfnis auf welcher Ebene ist und was wessen Belang ist, da sie sich ja jetzt lang genug selbst erforscht hat und entsprechend korrespondieren kann.
Klar ist sie, bestechend klar, diese weite, leuchtende Frau.
Sie besitzt die Gabe, grenzenlos zu verherrlichen und das Grenzenlose in ihrem Sein und ihrer Kreativität zu verkörpern (Zugang der Frau zu Materie und Körper)
Nach den Jahrhunderten der spirituellen Abwertung des irdischen Lebens, dem Weiblichen, der Frau, jener unseligen Trennung von Geist und Materie, ist es jetzt an uns, dieses verheerende Schlamassel aufzulösen.
Materie in diesem Sinne gibt es gar nicht, sagen uns jetzt die modernen Wissenschaften. Sie stoßen auf ein Feld von Energie und Information, wenn sie in der tiefsten Ebene der Materie wühlen, erzählen uns die Quantenphysiker. Das ist der Zeitpunkt der neuen Frau, um auf dieses ewige Glitzern in allem Geschaffenen hinzuweisen. So ist das Geistige nicht mehr von der Welt getrennt, sondern in ihr durch sie erlebt. Was für ein Fest, dieses Dasein!
Der intensivste Hinweis geschieht durch ihr blankes Sein. Was für eine unglaubliche Zeit – wir, deren Körperlichkeit für das Böse an sich stand, tragen das Göttliche zurück auf unsere Erde, die es genau durch eben diesen Blick aus den Augen verloren hat.
Ich liebe dieses wunderbare, kunstvolle Gewebe des Lebens…
Sie weiß um die Einfachheit der Grundprinzipien des Lebens und vermittelt diese im Glanz der Einfachheit
Einige einfache Grundprinzipien des Lebens sind: Form bildet sich von innen nach außen, das heißt, wenn ich mich für ein Würmchen halte, führe ich das Leben eines Würmchens, bekomme ich Wurmfutter, Wurmhäuser und Wurmtritte; wenn ich nicht selber liebe, werde ich nicht geliebt; wenn ich nicht respektiere, werde ich nicht respektiert, wenn ich nicht in meiner Würde bin, werde ich nicht gewürdigt; wenn ich nach Erfolg aus Egointeressen (ich möchte wichtig sein) strample und nicht mein Herzensanliegen darin umsetze, dann funktioniert die Sache nicht (Börsencrash) oder nach einer Weile auch ich selbst nicht mehr; wenn ich Widerstand gegen das leiste, was ist (mein Mann sollte sich ändern), erschöpfe ich mich nur; das Leben zeigt mir erst leise, dann laut meine nächsten Schritte; wenn ich mich dann immer noch nicht darauf beziehe, überrollt es mich (Krankheit, Verlust); ich verliere nur, was ich nicht mehr brauche – also gibt es nichts zum Festhalten; wenn ich meinem Kind signalisiere, dass immer die anderen (Nachbarn, Lehrer, Spielkameraden) für sein Unglück verantwortlich sind, wird es später ein Mensch, der keine Verantwortung übernimmt…
Es ist wirklich ganz klar und einfach.
So bezieht sie sich auf die Komplexität unserer momentanen Lebensumstände und unseres Wissens mit ihrer klaren Intuition, w e i ß von dort aus, schöpft daraus ihr Vertrauen, aus dem ihr klares, kühnes Handeln entpulst
Es geht nicht gegen das vielfältige, wunderbare Wissen, das uns unsere Zeit zur Verfügung stellt und an dessen Vermehrung wir engagiert mitarbeiten. Vieles hilft uns, unser Weltbild vollkommen neu zu entwerfen. Wunderbar! Es geht um eine Präsenz, in der wir mit dem „Ort“ verbunden sind, aus dem heraus all das entsteht, was wir erforschen. Und in dieser Präsenz wissen wir, was wir aus diesem äußeren Wissen in der entsprechenden Situation brauchen und welches in Bezug zum Menschen und dem Gemeinwohl steht. Aus dieser Intuition, nicht zu verwechseln mit diesem sogenannten „Bauchgefühl“, in dem sich vielfach all unserer Konditionierungen versammelt haben, entsteht impulsartig am rechten Ort, mit den rechten Menschen, zum rechten Zeitpunkt Handeln, das eingebettet ist in ein tiefes Vertrauen ins Leben.
Unsere Erziehungsräume sind voller Forschungsergebnisse. Tausende von Büchern stapeln sich schwer in den Armen der Mütter…
Wozu brauchen wir Forschung, wie viel Glas Rotwein gesund, nicht gesund, halbgesund sind (wissen wir das nicht?), jeweils mit sich widersprechenden Ergebnissen, solange noch irgendwo auf der Welt auch nur ein Mensch, ein Kind nichts zu trinken hat?
Wir haben dreiundneunzig verschiedene Telefontarife – zweihundert Empfehlungen dazu, tausend Werbespots mit minimalstem Informationswert – wie viel Lebenszeit wollen wir mit dem Studium dieser Tarife verbringen? Einmal gelesen und etwas in mir weiß. Wenn nicht – ist die Zeit nicht reif, den Tarif zu ändern.
Wofür sind wir da?
Im Licht der Wahrhaftigkeit hat alles unter dem Himmel Raum, so weiß sie als erstes Regierungsmitglied der Weltföderation, was wirklich ansteht
Der unendlich weite Blick der neuen Frau sieht auf das, was auf dieser Welt da ist, als das, was es ist: es ist da. Im Kleinen und im Großen. Nicht mehr, nicht weniger. Sie bewertet nicht (das ist böse, das ist schlecht, das ist nicht gut, das sollte anders sein), und im gleichen Moment unterscheidet sie genau, was dem Wohl des einzelnen und der Weltgemeinschaft dient. Da sie angebunden ist an diese tiefste Wahrhaftigkeit in ihr, ist sie auch offen für das nie Dagewesene, dafür, dass alles möglich ist. Offen für ungeahnte Entwicklungen und Hilfen. Das heißt, sie hängt nicht in verknitterten, engen, traditionellen Phantasien, was alles nicht geht. Sie kennt den süßen Geschmack des Nichtwissens. Neues ist neu, also kennt sie es nicht – bereit, es kennen zu lernen und in ihrer Kreativität neue Traditionen zum Lodern zu bringen. Die Tradition des Friedens zum Beispiel.
Sie tanzt das Spiel des Lebens lustig, mild und leidenschaftlich
So tief geschaut, weiß sie um das Geheimnis des Lebens. Es tanzt sich selbst durch uns. Das ist anstrengungslos. Das macht es so leicht. Und in der irdisch-verwurzeltsten Ernsthaftigkeit noch schimmert ein leiser Hauch von heiterer Ungebundenheit, Anmut und Resten der Wildheit. Das gibt dem Leben den Saft der Präsenz. Und alle Last von Schuld und Unvermögen ist eine ferne Erinnerung. Das geht auch in den kleinen Dingen des Alltags. Lustig, mild und leidenschaftlich.
Sie geht den Dingen auf den Grund, erforscht die dahinterliegende Motivation des einzelnen/des Geschehens
Hier ist das sich ständig bewegende Rad in der Inwendung. Hier ist es dunkler, verborgener, vager. Der Raum ist notwendig, sonst entstehen wieder neue Bilder der Perfektion. So sind auch die Speichen des Rades nicht gleichmäßig. Denn auch die neue Frau stolpert, lernt und experimentiert. Es ist die Pause der Introversion. Auch die angebunden an die Quelle, an die Liebe. Sonst ist kein Dahinter-Sehen möglich. Bei sich nicht und bei anderen nicht und nicht in dem, was geschieht. Sie forscht und fragt und zögert. Alles unter dem Himmel hat seinen Raum. Sie entschuldigt sich und erzählt vom Beweggrund. Und so schaut sie auf die anderen. Vergebend. Jetzt sind wir ganze Menschen. So ist uns nichts Menschliches fern.
Sie übernimmt Verantwortung für das, was in der Geschichte der Menschheit geschah (auch ich habe Hitler gewählt, Kriege geführt) – es ist das radikale Ende jeglichen Daseins als Opfer
Es ist einer der heikelsten Punkte in unserem Frausein. Und die Zeit ist reif, sich ihm in hoher Achtsamkeit auf allen Ebenen zu stellen.
Und es ist der einzige Raum, den wir noch eine Weile ohne unseren Bruder Mann betreten. Er könnte vorm Tor stehen, vom Pferd absteigen, sein Haupt in Demut auf den blanken Boden legen und dem Klang der Erde lauschen. Vielleicht hört er unsere Schritte…
So könnte er uns helfen, diesen Raum zu betreten.
Solange auch noch irgendwo in unserem Kopf der Gedanke herumsaust, dass wir Opfer wären, wirkt er. Wenn wir jetzt wirklich unser volles Potenzial zur Verfügung haben wollen, dann brauchen wir einen scharfen Blick auf diesen Aspekt.
Natürlich hat es Zeiten gegeben, in denen wir nicht die Freiheiten hatten, die wir heute haben und es gibt viele Orte auf der Welt, an denen es immer noch so ist. Und diese Enge und Verletzung lähmt natürlich die eigenen Kräfte. Es gibt noch eine große Passivität, auch wenn der Zaun schon weiter gesteckt oder gefallen ist.
Auf der tiefsten Ebene des Menschseins gibt es keine Trennung. Von dort aus sehen wir, dass das, was wir sind, alles ist. Opfer und Täter – alles eins. Das ist sehr tief im Formlosen betrachtet. Und verlangt höchst achtsamen Umgang, damit die Betrachtung nicht zynisch wird. Nicht zu schnell, zu früh in diese Ebene, sonst wirkt es verheerend.
Langsam gehen wir in die Form – und ich frage, wo waren wir, als wir gebraucht wurden? Zum Beispiel im Naziregime? Haben nicht unendlich viele von uns mitgemacht? Haben wir nicht dem KZ Aufseher, wenn er nach Hause kam, ein schönes Abendessen zubereitet und ihm über den Kopf gestreichelt?
Wo waren wir in der Geschichte der Menschheit? Wir haben den Teil inzwischen gewürdigt, in dem wir Schmerz erlitten. Jetzt würdigen wir den Teil, in dem wir mitgewirkt, nicht gehandelt, uns nicht eingebracht haben (was auch immer die Gründe gewesen sein mögen!).
Diese Frage wird uns erstmals wirklich weiter bringen, wird uns aus unserem Opferdasein erlösen, indem wir für alles, was auf dieser Welt geschah, die Verantwortung mit übernehmen – und zwar nicht voller Schuldgefühle, geduckt, sondern im aufrechten Gang stehend, sehend. Wir sind die Hälfte der Menschheit. Es wird uns aus der unseligen, urteilenden, kampfbelasteten Trennung vom Mann befreien. So werden wir Brüder und Schwestern.
Und wirklich freie Frauen.
Die Herangehensweise der neuen Frau an das Thema Opfer hat nichts, aber auch gar nichts mit unseren alten Schuldgefühlen und Schuldzuweisungen zu tun. Es ist tiefer. Das Innerste der Betrachtung geschieht angebunden an die Quelle der Liebe, dort wurzelt der Blick – insofern sehen die Augen äußerst wach und sanft. Das bringt auch eine Präsenz mit sich, in der letztlich klar ist, dass Vergangenes nicht wirklich ist. Es gibt nur den jetzigen Moment.
Und was hängen wir doch manchmal an diesem alten Zeug!
Im Kleinen, auf unseren persönlichen Bereich bezogen, heißt das, dass wir genauer werden. Es ist so leicht, anderen die Verantwortung zu übertragen. Bin ich sicher, dass ich den anderen nicht provoziert habe, bevor er ausgerastet ist? Werde ich nie wütend, rasend, verletzend? Habe ich nicht die Möglichkeit, aufzustehen und zu gehen? Sofort? Oder bleibe ich und lass mich weiterschlagen? Dann bin ich es, die bleibt – und das ist ein aktiver Akt meinerseits und nicht die böse Tat des anderen. Auch jammernd und klagend durch die Gegend zu rennen ist eine Art Gewalttätigkeit. Das kann man überprüfen.
Soll ich – Anna – mir schon mal Personenschutz besorgen?
Oder entsteht die Lust, diese unsagbare Freiheit miteinander zu feiern?
Sie ist eins mit allem, weiß um die Verbundenheit allen Seins und ist sich ihrer wahren essenziellen Natur bewusst
Es ist das Bewusstsein, das hinter allem steht, hinter allem Handeln und Nichthandeln. Es ist die Basis der neuenFrau, des neuen Menschen. Kein Unterschied Mann/Frau. Nur dynamisches Sein. Alle Wunder umfassend und einfach nichts.
Um sich dieses Seins bewusst zu sein, braucht sie noch eine Weile Zeiten des Rückzugs und der Stille. Und in der Zeit mit kleinen Kindern den Mut, es dort zu finden.
Sie schmeckt das Potenzial der Galaxien in ihren Zellen
Auch wenn wir noch nicht alles jetzt sofort verwirklichen, ist es höchst inspirierend, diese Weite des menschlichen Potenzials in sich zu schmecken. Wir wissen noch lange nicht alles, was uns zur Verfügung steht. Aber wir können uns dem jetzt öffnen, es als unendliches Meer der Möglichkeiten in uns einladen.
Wo sonst kämen neue Fragen, neue Antworten her?
Sie weiß von der Flüchtigkeit unserer Existenz und der Ekstase
Die Gegenwärtigkeit der Flüchtigkeit unserer Existenz lässt uns wieder in die Zentrierung des Ausgangspunktes zurückfallen.
Das Rad bewegt sich unaufhörlich. Das, was in einem Moment vorne ist, nach außen gerichtet, verschwindet wieder, um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen. Es gibt nichts Festes. Nicht einmal dieser Moment. Schon ist er vergangen.
Anna Platsch
ist freie Autorin. Sie leitet Schreibwerkstätten, Schreibretreats und Seminare für eine lebensnahe Spiritualität.
Sie lebt im Chiemgau, ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.
Ihr letztes Buch Offenes Siegel – meine Reise zu Sufis und Muslimen ist im Theseus Verlag erschienen. Ihr neues Buch Schreiben als Weg erscheint voraussichtlich im Herbst 2009 bei Kamphausen. Dazu wird es ab Frühjahr 2010 wieder einen neuen Seminarzyklus Schreiben als Weg im Benediktushof in Holzkirchen bei Würzburg (D) geben.
www.annaplatsch.de