Der GEIST eines bewussten Business

Wirtschaft

Der GEIST eines bewussten Business

Vorwort von Ken Wilber zum Buch „The Spirit of Conscious Business“ von Fred Kofman

Bewusstsein, Business, GEIST [Spirit]. Drei interessante Begriffe, nicht wahr? Worte, die man nicht oft innerhalb eines einzigen Satzes findet, geschweige denn als Titel eines Buches. Ich frage mich, was es aussagen soll, wenn diese Begriffe in einer solchen Weise miteinander verknüpft werden.

„Business“ –  fangen wir einmal damit an: Business bedeutet … eben Business. Die trockene und prosaische Wörterbuchdefinition besagt: „Beruf, Arbeit, Handel, Kommerz; ernsthafte, rechtmäßige Beschäftigung”. Klingt ziemlich seriös und sehr ernsthaft.
„Bewusst“ steht für:  „Ein Gewahrsein seiner inneren und äußeren Welt haben; mental wahrnehmend, wach und aufmerksam sein.”
Also heißt „bewusstes Business” möglicherweise, eine Beschäftigung, eine Arbeit oder eine Geschäft in einer achtsamen und aufmerksamen Weise auszuüben. Das impliziert natürlich, dass dies bei vielen Menschen offenbar nicht der Fall ist. Meiner Erfahrung nach ist das tatsächlich so. Ich jedenfalls würde bewusstes Business einem sonstigen vorziehen; in jedem Fall würde ich ein bewusstes Was-auch-immer vorziehen.

Der Begriff Spirit –  „GEIST“ –  ist schon schwieriger; es ist ein weiter, komplizierter, bedeutungsschwerer Begriff.  Laut Wörterbuch: „Das vitale Prinzip oder die bewegende Kraft in lebenden Wesen; unkörperliches Bewusstsein; übernatürliches Wesen.”

Mir gefällt keine dieser Definitionen – und ich vermute, Fred ebenfalls nicht. Eine andere Definition, etwas weiter unten auf der Liste, lautet „Essenz”; das dürfte der Sache insgesamt ein wenig näher kommen.

„Der GEIST des bewussten Business” könnte demnach bedeuten:  „Die Essenz einer wachen oder achtsamen Arbeit”.

Das klingt schon interessanter. Doch immer noch frage ich mich, was genau „bewusst” oder „achtsam” bedeuten könnte, insbesondere, weil wir oben in diesem Zusammenhang den provokativen Satz gefunden haben: ”Ein Gewahrsein seiner inneren und äußeren Welt haben”. Wie viele Welten sind denn eigentlich da, und muss ich denn ihrer aller bewusst sein, um wirklich bewusst zu sein?

Und genau an dieser Stelle wird meiner Ansicht nach die ganze Idee eines bewussten Business – ganz zu schweigen vom GEIST des bewussten Business – wirklich interessant. Welten, Gebiete, Landschaften, Umwelten – es ist eine weite Welt und je besser wir sie verstehen – sowohl die innere als auch die äußere – desto besser werden wir uns in dieser Welt bewegen können.

Eine Landkarte der äußeren Welt würde helfen; ebenso eine Landkarte der inneren Welt. Zusammen genommen würden sie ein Werkzeug darstellen, das mich weitaus effektiver durch jede Umwelt, jede Welt, einschließlich der Welt des Business navigieren lässt. Eine umfassende Karte, die die aktuellsten Erkenntnisse sowohl der inneren als auch der äußeren Welt in sich vereinigt, würde mir ein außergewöhnliches Mittel an die Hand geben, um jedwedes Ziel zu erreichen, das ich haben könnte. Bewusstes Business – ja, ein bewusstes Leben – würde allmählich zu einer sehr realen Möglichkeit werden.

Große Welt, große Landkarte

Eine Landkarte ist selbstverständlich nicht das Territorium und wir wollen ganz sicher keine Karte mit dem Territorium selbst verwechseln, unabhängig davon, wie umfassend auch immer sie sein mag. Gleichzeitig wollen wir aber auch keine unzureichende, bruchstückhafte Karte. Tatsache ist, dass man in den meisten menschlichen Unternehmungen, einschließlich der meisten Business-Praktiken, mit unvollständigen und oftmals irreführenden Karten des menschlichen Potenzials arbeitet. Diese Karten, die nur Ausschnitte und Bruchstücke der inneren und äußeren Realitäten darstellen, führen folgerichtig zu Fehlschlägen in persönlichen und  professionellen Unternehmungen.

Integrales Business

Bewusstes Business – Business, das sich  innerer und äußerer Welten bewusst ist – wäre daher ein Business, das Körper, Geist und GEIST in den Bereichen des Selbst, der Kultur und der Natur in Betracht zieht. Anders gesagt, bewusstes Business würde darauf achten, wie sich das Spektrum des Bewusstseins in den Großen Drei Welten des Selbst, der Kultur und der Natur ausdrückt. Das bedeutet sehr spezifisch, dass eine integrale Businessleitung die Werkzeuge anwenden würde, die entwickelt worden sind, um bestmöglich durch die Bereiche des Selbst, der Kultur und der Welt zu navigieren und sie zu meistern.

Es ist daher nicht sehr überraschend, dass sich Business Management Theorien in drei große Kategorien unterteilen lassen, die die Großen Drei Landschaften abdecken: Ansätze, die sich auf äußerlich objektive Systeme, Informations- und Warenfluss und Qualitätssicherung konzentrieren; jene, die sich auf die individuelle Motivation konzentrieren; und solche, die Unternehmenskultur und Werte betonen. Der springende Punkt ist, dass ein integrale Manager alle diese Werkzeuge in einer koordinierten und integrierten Weise einsetzen würde, um ein maximales Resultat zu erzielen, oder sich andernfalls mit einem geringeren Ergebnis zu begnügen.

Ein integrales Management  würde z.B. Systemtheorie anwenden, um die dynamischen Muster der äußeren Welt zu verstehen. Der System-Ansatz für das Business wurde durch solche Autoren wie Meg Wheatly und Michael C. Jackson –  neben buchstäblich hunderten anderen Autoren –  bekannt gemacht. Der System-Ansatz ist ebenso weitverbreitet, um Wirtschaftszyklen zu verfolgen, so wie in der bahnbrechenden Arbeit von Clayton Christensen über zerstörerische Technologien.

Weiters würde eine integrale Businessleitung ebenso die Möglichkeiten des inneren Bewusstseinsspektrums in Individuen zum Einsatz bringen – Emotionale Intelligenz [EQ], die durch Daniel Goleman bekannt gemacht wurden; das Myers-Briggs Management Instrumentarium ist ebenfalls bereits sehr verbreitetet; und auch persönliche Motivationstechniken, von Tony Robbins bis zu Franklin Covey.

Doch eine integrale Businessleitung würde nicht beim Selbst und der Welt stehen bleiben. Sie würde auch aus dem umfangreichen Wissen gemeinschaftlicher Unternehmenskultur schöpfen, gemeinsame Werte und Firmenmotivation. Jedes Unternehmen  besitzt nicht nur eine spezifische Kultur, auch spezifische Geschäftszyklen werden am effektivsten von verschiedenen Typen der Unternehmenskultur navigiert, wie z.B. die bedeutenden Forschungen von Geoffrey Moore nahe legen, oder auch die empirischen Forschungen von Jim Collins, die beide die überragende Bedeutung der Unternehmenskultur und der intersubjektiven Faktoren bei Langzeiterfolgen aufzeigen.  Jegliche integrale Leitung sollte diese Aspekte mit einbeziehen, sofern sie achtsam und wach auf Werte und  maximalen Effektivität ausgerichtet sein will.

Mit anderen Worten, alle diese großen Theorien des Business Management und der Unternehmensführung – von Systemtheorie, zu Emotionaler Intelligenz bis hin zu Unternehmenskultur-Management –  die die großen drei Landschaften abdecken, in denen sich alle Menschen befinden – haben einen wichtigen Platz in einem wirklich Integralem Modell des bewussten Business. Dies mag noch sehr kompliziert erscheinen, doch ist es eine nicht von der Hand zu weisende Tatsache, dass jeglicher Ansatz, der hinter einem integralen Ansatz  zurückbleibt, zum Scheitern verurteilt ist. In der heutigen Geschäftswelt kann es sich niemand leisten, weniger als integral zu sein, denn die laufenden Kosten sind viel zu hoch. Körper und Geist und GEIST – und Selbst und Kultur und Natur – sie sind alle da, üben alle einen Einfluss aus, formen alle aktiv die Ereignisse, und Sie können sie entweder bewusst in jeder menschlichen Unternehmung berücksichtigen oder sich zurücklehnen und das Debakel beobachten.

(aus: IP 5, 2007)

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