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Typologie und Entwicklung in der betrieblichen Beratungspraxis

Dr. Ingo Wuddel & Sabine Raiser

Anders als früher ist das Routinegeschäft heute die Ausnahme. Das gilt für Weltkonzerne wie für mittelständische Unternehmen. Der betriebliche Alltag wird immer mehr von Ausnahmesituationen geprägt. Hier kann der integrale Ansatz wertstiftend zum Tragen kommen. Unter der Voraussetzung, dass es gelingt, aus dem großen Füllhorn integraler Perspektiven genau und ausschließlich die situationsrelevanten Angebote herauszuziehen. Das ist leichter gesagt, als getan. Denn dazu gehört auch der Mut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht relevante, aber wertvolle Aspekte auszuklammern. Denn: Komplexes darf nicht kompliziert sein, wenn es den Praxisbeweis erbringen soll.

Die fünf AQAL-Elemente des integralen Ansatzes (Quadranten, Entwicklungsebenen, Entwicklungslinien, Zustände und Typologien) lassen sich in zwei allgemeinen Kategorien zusammenfassen: horizontale Heterarchien und vertikale Holarchien. Die Quadranten, die Zustandsbereiche und die Typologien sind jeweils heterarchisch und in ihren Ausprägungen gleichwertig. Subjektiv ist nicht besser oder schlechter als intersubjektiv oder objektiv, sondern anders. Wohingegen die Entwicklungsebenen als auch die Entwicklungslinien holarchisch sind und Unterscheidungen von weit oder weniger weit entwickelt erlauben. Weltzentrisch ist umfassender als soziozentrisch und dies komplexer als egozentrisch. Übertragen auf unternehmerische Fragestellungen schafft diese Prämisse eine gute Basis für die erste Arbeitshypothese.

Konzentration ist die Kunst des Weglassens



Wünschenswert wäre es, alle fünf Elemente in die Analyse und Umsetzung eines Auftrages integrieren zu können. Das ist nicht immer möglich. Unerlässlich ist jedoch die Implementierung von mindestens zwei Elementen, wenn es darum geht, sich selbst und die anderen in ihrem Denken und Tun zu verstehen und so einer komplexen Fragestellung gerecht zu werden. Das sind die Breite und die Tiefe, beziehungsweise die horizontale und die vertikale Ebene. Damit definiert sich die Minimalforderung des integralen Ansatzes. Diese beiden, das heterarchische Typenmodell und das holarchische Entwicklungsmodell, sollten daher Bestandteil einer Analyse sowie der daraus erfolgenden Lösung sein. Die Praxisbeispiele der von mir vor über zehn Jahren zusammengestellten Integralen Profil-Analyse (IPA) beziehen daher mindestens das typologische Enneagramm und das werteorientierte Spiral Dynamics mit ein. Damit verbinde ich die Vorteile beider Modelle und vermeide deren Beschränkungen.

Das Enneagramm



Es heißt, dass das Enneagramm im Mittelalter bei Mönchen und Sufi-Orden erste Anwendung fand. Jedes der neun Grundmuster zeigt, wie Menschen Erfahrungen verarbeiten, Stresssituationen bewältigen und ihr Leben organisieren. Wie ein Spiegel kann es deutlich machen, was der Einzelne bevorzugt wahrnimmt und regelmäßig ausblendet. Individuelle und kollektive Weltsichten, Wahrnehmungen und Werte finden sich darin wieder. Der Mensch neigt dazu, die Weltsicht und Wahrnehmungen, die er kennt und beherrscht für das Ganze zu halten. Nach dem Motto: So wie ich die Welt sehe, ist sie. Es geht darum, die eigene Sicht der

Dinge als individuell (unteilbar – in-dividuare) zu erkennen und zu überwinden, mit dem Ziel, die größere Wirklichkeit umfassender wahrzunehmen und andere Perspektiven anzunehmen. Zumindest als Möglichkeit. Im ersten Schritt.

Das Enneagramm – Ein Überblick

Typ 1 - Prinzipienorientierter Perfektionist

„Ich muss (die Welt verbessern), also bin ich (richtig).“

Einser sind Reformer und wollen die Welt verbessern. Mit ihrem Wissen und ihrer Energie erreichen sie viel. Sie wollen Recht behalten und geben gerne Ratschläge.

Typ 2 – Begeisterungsfähiger Helfer

„Ich werde gebraucht, also bin ich (stolz).“

Zweier wollen helfen, lieben und gebraucht werden. Dafür tun sie viel. Sie übernehmen oft und gerne die Aufgaben anderer. Auch ungefragt. Wenn sie nicht aufpassen, kann das übergriffig wirken.

Typ 3 – Erfolgsorientierter Macher

„Ich werde bewundert, also bin ich (super).“

Dreier möchten vor allem erfolgreich sein und so gesehen werden. Erfolg, Ruhm, gutes Aussehen sind ihre Treiber. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie als Blender wahrgenommen.

Typ 4 – Anspruchsvoller Romantiker

„Ich leide, also bin ich (besonders).“

Vierer wollen vor allem etwas Besonderes sein. Die Einzigartigkeit ihrer Gefühle und Kreativität stehen im Fokus ihrer Außendarstellung. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie als exaltiert wahrgenommen.

Typ 5 – Distanzierter Beobachter

„Ich halte mich zurück, also bin ich (sparsam).“

Fünfer wollen die Welt verstehen, herleiten und erklären können. Sie gehen den Dingen auf den Grund. Dafür arbeiten sie hart und diszipliniert. Am liebsten alleine. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie als Eigenbrötler wahrgenommen.

Typ 6 – Loyaler Skeptiker

„Ich zweifle, also bin ich (sicher).“

Sechser wollen Sicherheit. Sie denken und zweifeln lieber einmal zu viel als zu wenig. Sie leben gerne nach Regeln und vermeiden unsicheres Terrain. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie als ängstlich und rigide wahrgenommen.

Typ 7 – Ewiges Kind

„Ich sprühe vor Ideen, also bin ich (frei).“

Siebener wollen Spaß haben. Mit sich und anderen. Ideen und Visionen sprühen aus ihnen heraus und reißen andere mit. Die Verantwortung und Umsetzung delegieren sie gerne. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie als unzuverlässig wahrgenommen.

Typ 8 – Fairer Boss

„Ich bestimme, also bin ich (mächtig).“

Achter wollen Macht haben und demonstrieren. Dafür arbeiten sie hart und scheuen kein Risiko. Sie sind oft „Retter in der Not“ und genießen den Respekt anderer. Wenn sie nicht aufpassen, dominieren und verängstigen sie andere.

Typ 9 – Friedliebender Vermittler

„Ich mach es anderen recht und mir bequem, also bin ich (gut).“

Neuner wollen vor allem Ruhe haben. Auch für andere. Dafür stellen sie sich gut und gerne als Friedenstifter zur Verfügung. Harmonie und Gleichklang sind ihre Motivation. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie als träge und unentschlossen wahrgenommen.

Quelle: © Dr. Ingo Wuddel & Sabine Raiser




Gleichwertig und andersartig



Diese neun Grundmuster sind a priori gleichwertig, von gleichem Wert, jedoch von unterschiedlicher Art. Typologien verlaufen horizontal, nicht vertikal. Die Acht beispielsweise ist nicht besser oder schlechter als die Fünf. Und dennoch liegt der Wert des einen oder anderen Typus´ in der zu erfüllenden Aufgabe. Beispielsweise und sehr vereinfacht ließe sich sagen, dass für den Bereich Qualität und Sicherheit in einem Atomkraftwerk eher die Charakterstruktur der vorsichtigen, analytischen und vorausschauenden Fünf angemessen sei, als die kraftvolle Macherstruktur der Acht, die, um schnell ans Ziel zu kommen, auch mal ein Auge zudrückt. Wenn jedoch der „Karren im Dreck“ liegt und jemand gebraucht wird, der zupackt, werden bevorzugt Achter gerufen. Diese grobe Unterscheidung gilt als Basis für Projekte wie Personalauswahl oder Konfliktkommunikation. Wer sich allerdings allein auf die Typologie verlässt, greift zu kurz. Eben weil sie den Entwicklungsstufen zu wenig Beachtung schenkt. Und diese sind für komplexe betriebliche Prozesse erfolgsrelevant. Denn eine Fünf auf niedriger Entwicklungsstufe könnte den hohen Anforderungen an Sicherheitsstandards nicht gerecht werden. Intellektuell und ethisch. Und eine Acht auf der gelben Mem-Stufe wäre auf Dauer unterfordert beim Kräftemessen mit dem „Karren im Dreck“. Es gilt also eine Übereinstimmung von Typologie und Entwicklungsstufe – gemessen an der zu bewältigen Aufgabe – zu finden.



Spiral Dynamics



Ein geeignetes Entwicklungsmodell für betriebliche Prozesse ist das von Graves und Beck weiter entwickelte Spiral Dynamics. Dazu hat das Netzwerk Integrale Beratung eine wertebasierte Skala erstellt, die die Entwicklung von Leitbildernund Führungsstilen darstellt. (Siehe Tabelle) Da die Acht für den „Boss“ und „Herrscher“ steht, zeigt sich hier exemplarisch die Entwicklung der Acht. Auf der roten Stufe ist ihr Führungsverhalten weniger differenziert als auf der gelben. Das Führungsverhalten in einer typischen Rockerbande dürfte als weniger komplex angesehen werden, als das in einer global agierenden Umweltorganisation. Dies sagt allerdings noch nichts über deren Erfolg und Effizienz aus. Es gibt Unternehmen, da findet sich je nach Abteilung das eine wie das andere Verhalten. Für solche Fälle ist der integrale Ansatz prädestiniert. Beispiele und Lösungsansätze können unter 0211 5591 777 erfragt werden.


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