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Theiler Juerg Fuehrung durch die SeeleEine Zusammenfassung des Buches finden Sie in der Januar-Ausgabe 2020 der Integrale Perspektiven: Klima – Bewusstheit – Ethik, unter dem Titel, Führung durch die Seele. Von der Zerstörung zur Erfüllung.

Die politischen Konsequenzen des Erkennens

Das griechische Wort polis, von dem Politik stammt, bedeutet Gemeinschaft. Gemeinschaft von was? Es ist die Gemeinschaft der Teile. Was sind die Teile? Die Teile sind die Informationen, die Wünsche und Funktionen, der Menschen, des Lebens. Die Politik organisiert die Informationen. Das ist ihre Aufgabe. Die Informationen sind die Ressourcen des Lebens. Die Politik organisiert die Produktion und Verteilung der Ressourcen.

So bewusst oder unbewusst wie die Menschen sind, so organisieren sie sich. So bewusst oder unbewusst wie die Menschen in einer Gemeinschaft sind, so ist deren Organisation. Unbewusste Menschen organisieren sich auf Weisen, die von ihren unbewusst und automatisch agierenden Wünschen und Funktionen bestimmt sind. Durchgesetzt als dominierende Organisationsform der Gesellschaft hat sich der Markt. Er verbindet die Wünsche der instinktiven, affektiven und instrumentellen Intelligenzsysteme auf einleuchtende Weise.
Der Markt regelt die Beziehung zwischen den Menschen auf der Grundlage des Besitzes, der vom Instinkt geregelt ist, des Tausches, der eine Funktion des Affektes ist, und der Instrumentellen Intelligenz, welche das Kosten-Nutzen-Verhältnis rational, quantitativ, berechnet. Was Sie besitzen, können Sie auf dem Markt zu einem quantifizierten Preis anbieten, wenn Sie wollen, und gegen etwas tauschen, das eine andere Person besitzt und anzubieten bereit ist, das Sie wollen. Vordergründig sind Anbieter und Nachfrager frei, die Tauschbeziehung einzugehen. Scheinbar können sie tun und lassen, was sie wollen. Aber auf dem Markt tauschen Ungleiche, Mehr- und Wenig-Besitzende, Unabhängige und Abhängige, Mächtige und Machtlose. Macht ist eine Funktion der Abhängigkeit.

Die Besitzer der Ressourcen (Boden/Immobilien, Kapital, Technologie, Wissen, Autorität, Macht, Zeit) sind die Unabhängigen. Sie können tauschen, wenn und wann sie wollen. Sie müssen nicht tauschen. Sie können warten, bis die Tauschbedingungen zu ihrem Vorteil sind. Die Besitzlosen, die Wenig-Besitzenden, sind die Abhängigen. Sie können nicht warten, bis die Tauschbedingungen zu ihrem Vorteil sind. Sie müssen tauschen, ob sie wollen oder nicht.

Der Markt ist eine Organisationsform der Macht.

Die Besitzer der Ressourcen bestimmen, welche Produkte und Dienstleistungen wann und zu welchen Bedingungen getauscht werden. Der Markt organisiert, welche Wünsche und Funktionen welcher Menschen befriedigt werden und welche nicht.

Macht ist die Fähigkeit, zu entscheiden, welche Wünsche welcher Menschen befriedigt werden und welche nicht.

Der Markt unterscheidet sich darin nicht von den anderen Organisationsformen, die noch verbreitet sind, dem Feudalismus und dem Kommunismus (den Faschismus zählen wir zum Feudalismus; er ist Feudalismus von unten). Der Unterschied zu diesen liegt darin, dass der Markt die Macht anonymisiert, verschleiert und vertuscht (in der französischen Bezeichnung für Aktiengesellschaft, Societé Anonym, S. A., ist die schlaue Taktik sprachlich sichtbar).
Der Markt ist aus dem Feudalismus heraus gewachsen. Ausgangspunkt der Entwicklung ist die Französische Revolution (1789–1799). Wie Saturn (griechisch Kronos, ein Symbol des Instinktes) frisst die Revolution ihre eigenen Kinder (Pierre Vergniaud). Napoleon bereitet dem Machtkampf der Revolutionäre mit Gewalt ein Ende und baut sich als Kriegsherr gleich selbst zum Feudalherrscher auf. Er verwandelt Europa in ein Schlachtfeld und erst die Niederlage bei Waterloo (1815) beendet den Schrecken. Mit dem Sieg der Engländer schlägt die Stunde der Geschäftemacher, die sich Liberale nennen. In der Juli-Revolution im Jahr 1830 inszenieren sie in den Massenmedien – medial – Louis-Philippe von Orléans als „Bürgerkönig“. Ein Medienmacher ist der Drahtzieher (Adolphe Thiers). Der Bürgerkönig ist eine ideale Projektionsfläche. Alle wollen König/Königin sein. Die globale Botschaft wird vom König offiziell verkündet:

Enrichissez-vous!
Bereichert euch!

Der Markt hat den Feudalismus nicht überwunden. Er hat nur den Tausch zum Besitz hinzugefügt. Zu den alten Feudalherren sind neue hinzugetreten. Die neureichen Oligarchen imitieren die alten, die Massenmedien feiern sie und die Menschen in der Masse orientieren sich an ihnen.

Mit dem Markt installier(t)en die Geschäftemacher die Markt-Demokratie und mit der Markt-Demokratie den Markt. Seither funktioniert die Politik als Markt. Sie ist ein Tauschgeschäft (geworden), in welchem die Besitzer der Ressourcen die Voraussetzungen schaffen, um sich an den Besitzlosen zu bereichern, und in welchem diese versuchen, ihre Stimme (Ressourcen) zum eigenen Vorteil zu verkaufen.

Der Grund für den Aufstieg der Geschäftemacher in der Politik – sie werden aktuell Populisten genannt – liegt an der Dominanz des Marktes. Die Digitalisierung der Information hat den letzten entscheidenden Schub dazu beigetragen. Durch diese Technologie hat der Markt seine letzten natürlichen Grenzen verloren. Das sind, beziehungsweise waren, die Zeit und der Raum. Seither ist die beschränkte und verzerrte Information, die der Markt vermittelt, ohne Zeitverlust (in real time) zu jeder Zeit und an jedem Ort für alle wirksam.
Seither dominiert der Markt als Organisationsform alle Teile des Lebens: die Wissenschaft und Bildung, die Kunst, die Wirtschaft, die Medien, die Beziehung und Familie und die Politik. Die Religion ist gesondert zu betrachten. Der durch die Digitalisierung grenzenlos entfesselte Markt ist das globale Medium und das Medium ist die globale Botschaft (Marshall McLuhan, 1962). Die Botschaft lautet: Bereichert euch!

Der Markt fordert alle dazu auf, sich an allen zu bereichern.

Dieser Aufruf ist für viele verlockend. Er propagiert, was alle wollen. Genauer: Er verspricht, was die Wünsche und Funktionen der instinktiven, affektiven und instrumentellen Teilsysteme wollen. Der Markt regelt nur die Wünsche der Intelligenzsysteme im Aktionsmodus. Nur diese können getauscht werden. Nur diese lassen sich kaufen und verkaufen. Er missachtet, verdrängt, unterdrückt, zerstückelt, kompensiert und projiziert die Wünsche der Empathischen Intelligenz.

Der Markt reduziert die Menschen.

Er spült die Wünsche der instinktiven, affektiven und instrumentellen Intelligenz in deren Diensten nach oben. Er stellt das System der Psyche auf den Kopf. Er ignoriert, verdrängt, vertuscht, verharmlost und verneint die Perversion und Zerstörung des Lebens, die er anrichtet.

  • Mit dem Besitz der Instinktiven Intelligenz lädt der Markt zur Gewalt ein. Ein großer Teil des Besitzes wird durch Gewalt verteilt. Dazu gehören alle aktuellen und früheren Kriegshandlungen ebenso wie alle Formen der individuellen physischen und psychischen Gewaltausübungen, die zwischen Stärkeren und Schwächeren stattfinden (strukturelle Gewalt).
  • Mit dem Tausch der Affektiven Intelligenz lädt der Markt zur Täuschung und zum Zwang ein. Die Anbieter versuchen, ihr Angebot wertvoller darzustellen, als es ist und dafür so viel wie möglich zu bekommen, und die Nachfrager versuchen, dafür so wenig wie möglich zu bezahlen. Das Machtverhältnis zwischen Anbieter und Nachfrager entscheidet über den Preis (die Tauschbedingungen). Durch die unterschiedliche Verteilung des Besitzes der Ressourcen, die getauscht werden, ist die Macht unterschiedlich verteilt. Macht gleich Abhängigkeit bedeutet Zwang.
  • Mit der Technologie der Instrumentellen Intelligenz lädt der Markt zur Manipulation und Kontrolle ein. Die Besitzer der Technologie kontrollieren das Angebot und manipulieren die Nachfrager.

Der Markt ist nicht die (Ur-)Ursache der Zerstörung. Diese liegt in der Psyche der Menschen begründet. Der Markt ist der Verstärker. Er fördert und belohnt die destruktiven Eigenschaften der instinktiven, affektiven und instrumentellen Teilsysteme der Psyche. Er verstärkt alle Hindernisse und Widerstände, die dem Erkennen und Erfüllen des Lebens im Wege stehen:

1 Der Markt konditioniert und reduziert

Konditionierung ist Reizung von Wünschen und Funktionen. Das Phänomen der Konditionierung hat der Physiologe Iwan Pawlow zu Beginn des 20. Jahrhunderts experimentell zuerst an Hunden festgestellt. Wenn diesen der Geruch von Fleisch in die Nase steigt, erhöht sich der Speichelfluss im Mund. Der Reiz stimuliert den Hunger. Denselben Ursache-Wirkungs-Zusammenhang lösen beliebige andere Reize aus, wenn sie in Kombination mit dem ursprünglichen Stimulus auftreten, zum Beispiel der Klang einer Glocke oder die Schritte der Person, die das Essen bringt. Die Reize, auf welche die Säugetiere mit erhöhter Begierde reagieren, lassen sich beliebig auf neue Reize übertragen und kumulieren. Das Gehirn verbindet, addiert und ersetzt die Stimuli nach kurzer Zeit.
Der Markt konditioniert die Menschen wie Pawlowsche Hunde. Er füttert die Wünsche der instinktiven, affektiven und instrumentellen Teilsysteme permanent mit neuen Reizen. Das Gehirn addiert sie alle auf. Der Markt reizt und fördert den Hunger und die Lust, die Gier und die Unersättlichkeit des Instinktes, den Tausch und die Täuschung, den Ehrgeiz und die Eitelkeit, die Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit, die Schlauheit, List und Tücke des Affektes und die teilnahmslose Gleichgültigkeit der Instrumentellen Intelligenz ohne Unterlass. Der Markt reizt und verstärkt die Wünsche und Funktionen in der Reihenfolge, in welcher er sich an ihnen bereichern kann. Das ist die Reihenfolge, in der sich die Wünsche der Psyche im Aktionsmodus zu Worte melden. Abraham Maslow hat diese Reihenfolge als (Bedürfnis-)Pyramide dargestellt. Die prioritäre Reihenfolge nennt er hierarchy of prepotency, Hierarchie der Vorherrschaft:[1]

  1. Die Wünsche und Funktionen des Instinktes melden sich zuerst. Sie setzen sich am schnellsten, am dringlichsten und am lautesten durch: Der Besitz und der Konsum, die Sexualität, die Bequemlichkeit, die Gier und Unersättlichkeit, die Kompetitivität, die Brutalität und die Gewalt. Der Gewinner nimmt alles.
  2. Die Wünsche und Funktionen des Affektes folgen an zweiter Stelle: Der Tausch und die Täuschung, der Erfolg und die Macht, die Position, der Status und die Privilegien, die Aggression, die Eitelkeit, die Überheblichkeit, der Neid und die Missgunst, das Misstrauen, die Sicherheit, die Illusion, die Schwärmerei und die Sentimentalität, der Kitsch, das Geschwätz, die Schlauheit, List und Tücke, die Lüge und der Betrug. Der Bessere nimmt so viel wie er kann.
  3. Die Wünsche und Funktionen der Instrumentellen Intelligenz folgen ihnen nach (Maslow hatte sie als Empiriker noch nicht auf dem Radar): Die mechanisch-technische Manipulation und Kontrolle, die Fragmentierung (Zerstückelung), die Innovation, die Reduktion der Wahrnehmung auf das Quantitative, Repetitive, Messbare, Manipulierbare und Kontrollierbare, der Relativismus und Sophismus, der Stil, die Konstruktion, die Technokratie, die Künstlichkeit (Virtualität) und der Zynismus. Alles ist relativ, möglich und erlaubt.
  4. Die Wünsche und Funktionen der Empathischen Intelligenz bezeichnet Maslow als Self Actualization (es wird gewöhnlich ungenau und unrichtig mit Selbst-Verwirklichung übersetzt). Empirisch richtig beobachtet Maslow, dass nur der kleinste Teil der Ressourcen und nur der kleinste Teil der Menschen die Spitze der Pyramide erreicht. Fälschlicherweise wird angenommen, man könne in der Pyramide Stufe um Stufe nach oben steigen, bis man das Ziel erreicht. Das ist nicht der Fall. Die Wünsche und Funktionen der Empathischen Intelligenz werden vom Markt nur als Pseudo-Produkte und Dienstleistungen angeboten und nur zum Schein befriedigt. Je angestrengter und erfolgreicher Menschen versuchen, ihre Wünsche auf dem Markt zu befriedigen, umso weiter entfernen sie sich von der Empathischen Intelligenz. Auf dem Weg „nach oben“ schwächen und verletzen sie das Gesamt-Ziel, das End-Ziel, die Wünsche und Funktionen, die sie dorthin führen (würden), permanent.

Der Markt verstärkt auf diese Weise die Trivialisierung, die Vulgarisierung und die Profanierung des Lebens. Vulgō bedeutet Volk, Masse, und profan heißt gemein, gewöhnlich, alltäglich, unheilig, entheiligt. Heilig, von heil, bedeutet ganz, gesund. Die Trivialkultur, die Pop-Kultur, die Massenkultur, der Populismus, die vom Markt produziert werden, sind alles andere als harmlos. Sie verhindern das Wahrnehmen des Ganzen, des Heilen, des Heiligen, des Heilenden. Die Trivialisierung in der Wissenschaft, der Empirismus, Relativismus, Positivismus, fördert und legitimiert die Zerstörung zugleich.
Die effiziente und effektive Allokation der Ressourcen, von der die Markt-Ökonomen schwärmen, ist katastrophal. Der Markt verteilt die Ressourcen, im Bild der Pyramide von Maslow dargestellt, von oben nach unten um. Er reduziert die Menschen auf die Wünsche und Funktionen der instinktiven, affektiven und instrumentellen Intelligenz. Er entseelt die Menschen.

2 Der Markt verstärkt die Kompensation

Der Markt lädt unaufhörlich dazu ein, jene Wünsche, die sich die Menschen nicht oder nur schwer erfüllen können, durch solche Wünsche zu kompensieren (ersetzen), die sie leicht zu befriedigen wissen. Alles, was die Menschen billig kaufen können, lädt auf besonders einfache Weise dazu ein. Billig kaufen können sie heute fast alles: Nahrung, sexuelle Befriedigung, Kleider (Mode), Mobilität (Ferien), Unterhaltung, Zugehörigkeit, Schönheit, Luxus, Exklusivität und so weiter. Dass die Qualität des Angebotes mit zunehmender Vermassung, Standardisierung und Automatisierung immer schlechter wird, ist die weniger dramatische Seite der Medaille. Weit tragischer ist:

  • Dass die Selbst-Zerstörung mit zunehmendem Ungleichgewicht der befriedigten Wünsche rasant ansteigt. Es ist gut messbar an den unaufhörlich steigenden Krankheitskosten, am unaufhörlich wachsenden Anteil von übergewichtigen, von süchtigen, von abhängigen Menschen.
  • Dass die befriedigten Wünsche nur Ersatz für die unerfüllten Wünsche sind. Die Teillösungen sind nur Scheinlösungen.

Die Wünsche und Funktionen der Empathischen Intelligenz kann der Markt als Organisationsform nicht befriedigen. Sie lassen sich durch Tausch und Täuschung, durch Kauf und Verkauf, durch Manipulation und Kontrolle nicht erfüllen.

3 Der Markt verstärkt das Meinen, das Wollen, das Müssen und das Handeln

Seit die Besitzer der Technologie und des Kapitals die Digitalen Medien, von denen sie einige social nennen, auf den Markt gerufen haben, ist das Meinen der Masse, das heißt der Instinkte und Affekte mit der instrumentellen Intelligenz in deren Diensten, zum Maßstab aller Dinge geworden. Jeder kann nun seine Meinung rund um die Uhr auf dem Markt kundtun. Die Meinungen werden gezählt und die Messresultate werden der Masse von den Massenmedien wie Trophäen vorgehalten. Die Masse sieht und sonnt sich darin wie der Sonnenkönig, und die Besitzer legitimieren sich mit dem Hinweis auf die Masse. Richtig und wichtig ist, was Masse erzeugt. Damit können die Besitzer der Ressourcen die größten Gewinne erzielen. Die Medien verbreiten jene Meinungen, die sie am besten verkaufen können, und stellen diese immer größer dar, als sie sind. Sie blähen auf, was sie verkaufen. Der Instinkt ist unersättlich. Er mag es möglichst groß, big, mega, giga usw. Alle wollen, was alle wollen. Das ist ein Gesetz der Affektiven Intelligenz. Es ist ein Gefühl. Alle müssen, was alle wollen. Es ist dasselbe Gesetz. Alle tun, was alle tun. Das ist ein Gesetz, in welchem sich der Instinkt mit dem Affekt verbindet. Die Massenmedien im Dienst des Marktes suggerieren jedem einzelnen von klein auf, er könne alles haben, was er wolle. Es müsse nur wollen oder tun. Er könne alles kaufen. Der Markt schafft die Narzissten, die er braucht. Er inflationiert (Carl Gustav Jung). Er bläht auf. Er schafft die Inflation, unter welcher die Besitzlosen, die Abhängigen, leiden.[2] Die Konditionierung und Reduktion der (Wünsche der) Menschen auf die Botschaften der Massenmedien im Allgemeinen und der Digitalen Medien im Speziellen ist fatal.

4 Der Markt verstärkt die Projektion

Die unerfüllten, positiven Wünsche überträgt der Markt auf Stars und Idole und den unbewussten Schatten projiziert er auf Feindbilder, die sich ebenso gut verkaufen lassen. Der Massenmarkt und die Massenmedien übernehmen darin eine Funktion, die vormals religiösen und politischen Institutionen vorbehalten war.

Der Markt und die Medien schaffen die Helden, die sie für den Umsatz brauchen, und blähen sie zu gigantischen Projektionsflächen auf. Die Idole, die auf dem Markt entstehen, in den so genannten News, in der Werbung, im Sport und in der Unterhaltung, in der vom Markt bestimmten Wissenschaft, Kunst und Politik, in den analogen und digitalen Massenmedien versprechen, was alle wollen. Kampf und Sieg, Konsum und Besitz, Erfolg und Macht lassen sich (für einige, für eine Weile) tatsächlich auf dem Markt befriedigen. Und für die unerfüllten und verletzten Wünsche der Empathischen Intelligenz bietet der Markt ein Heer von Ersatzprodukten und -Dienstleistungen an, die sich verkaufen lassen, Sentimentalität und Kitsch, sowie alle anderen Formen der Täuschung, Wohlfühlaktionen, Schönheitsoperationen, Wochenendkurse, Ratgeber, Reisen, Esoterik, ohne Ende.

5 Der Markt verschleiert den Schatten und betäubt die Wunden der Zerstörung

Der Schatten ist ein großes Geschäft: der Krieg, die Gewalt, der Besitz und Konsum, die Unersättlichkeit und Gier, die Kriminalität, die Sexualität in ihrer unbewussten, ungeführten, destruktiven Form, die Lust, der Genuss und der Spaß in ihren unbewussten, ungeführten, destruktiven Formen, die Bequemlichkeit, der Neid, die Eitelkeit, die Überheblichkeit, (der Minderwertigkeits- und der kompensierende Überlegenheitskomplex in der Sprache Alfred Adlers) der Größenwahn, die Selbstgerechtigkeit, der Zwang, die Sucht, die Manipulation, die Kontrolle, die Angst, die Verletzung (Trauma), der Schmerz und die Betäubung.
Der Markt verschleiert die Selbst-Täuschung und die Selbst-Zerstörung mit allen Mitteln permanent. Die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, sind die Gewalt, der Zwang, das Versprechen, die Belohnung, die Bestrafung, die Angst, die Betäubung, die Täuschung, die Lüge, der Betrug, die Fragmentierung, die Projektion, die Manipulation und die Kontrolle.
Die Mittel, die ihm zur Betäubung zur Verfügung stehen, machen einen großen Teil des Marktes (Bruttosozialproduktes) aus: die Betäubungsmittel in der Gesundheitsindustrie (Pharmazeutik und Medizin); die suchtfördernden Betäubungsmittel in der Genuss- und Nahrungsmittelindustrie, wie Nikotin, Alkohol, Zucker und Hormonstoffe; die Betäubungsmittel in der Unterhaltungs- und Freizeitindustrie, zu denen der Lärm und der Spaß gehören, die nur durch die Betäubung mit Alkohol, Nikotin und Drogen erträglich sind; die Gewalt und Aggression in der Musik, in den virtuellen Spielen und in anderen Formen der Freizeitgestaltung.

6 Der Markt täuscht Gleichheit vor

Der Markt täuscht vor, der Zugang zum Markt, das heißt zur Macht, sei für alle gleich oder wenigstens für alle offen. Tatsächlich sind die Macht und der Zugang zur Macht auf dem Markt extrem ungleich verteilt.
Mächtig sind die Besitzer der Ressourcen: des Bodens, der Immobilien, des Kapitals, des technologischen Wissens und Könnens (Know-how, Information), der Infrastruktur, der Autorität, der Mittel der Gewalt und des Zwanges. Sie diktieren die Tauschbedingungen. Ohnmächtig sind die Besitzlose(re)n. Sie müssen tauschen, auch wenn die Bedingungen zu ihrem Nachteil sind. Sie müssen ihre Arbeitskraft verkaufen, weil sie sonst nichts anzubieten haben. Sie müssen ihre Seele verkaufen. Einige müssen ihren Körper verkaufen, weil sie sonst nichts anzubieten haben. Viele müssen ihre Gesundheit verkaufen. Sie verkaufen ihre Jugend, ihre Kraft. Sie verkaufen ihren Hunger, ihre Gier, ihre Aggression, Ihre Rücksichtslosigkeit, ihre Gleichgültigkeit mit Erfolg.
Jene, die auf dem Markt sind, müssen und wollen kaufen, was die Anbieter anbieten. Sie müssen kaufen, was im Angebot ist, weil sie hungrig sind und weil es nichts anderes zu kaufen gibt als das, was ihre Begierde reizt und ihren Hunger vorübergehend stillt. Sie wollen kaufen, weil sie gierig und unersättlich sind, weil sie bequem sind, weil sie Lust haben, weil sie ehrgeizig und eitel sind, weil sie Spaß haben wollen, weil sie kompensieren, weil sie projizieren, weil sie gespalten sind. Sie müssen und wollen kaufen, worauf sie konditioniert sind.
Der Markt ist das Angebot der unbewussten Geschäftemacher im Urteil der unbewussten Masse: der unersättlichen Instinkte und der eitlen Gefühle, multipliziert, manipuliert und kontrolliert durch die teilnahmslos gleichgültige Technologie.

7 Der Markt täuscht Freiheit vor

Diese Täuschung ist die tückischste. Der Markt täuscht den Menschen vor, sie seien frei. Diese Freiheit wird von den Anbietern und den Nachfragern so verstanden, dass sie kaufen können, was sie wollen, wenn sie den Preis dafür bezahlen (können). Aber der Sinn der Freiheit des Menschen besteht nicht darin, zu kaufen, was er will. Das Ziel seiner Freiheit besteht darin, zu erkennen, was er soll und zu entscheiden, was er tut.

Der Zweck der Freiheit besteht darin, zu erkennen,
was richtig und was falsch ist, um das Richtige zu tun.

Der Mensch muss frei sein, um erkennen zu können, wer er ist und um entscheiden zu können, was zu tun ist. Der Markt macht ihn auf seine eigene Weise so unfrei wie die anderen Herrschaftssysteme.
Der Markt macht die Menschen zu den Sklaven ihrer Ignoranz, ihrer Getriebenheit, ihrer Gier und Unersättlichkeit, ihrer Ungeduld, ihrer Eitelkeit, ihres Ehrgeizes, ihrer Überheblichkeit, ihrer Unzufriedenheit, ihrer Verlogenheit, ihrer Bösartigkeit, ihrer Gewalt, ihrer Ängste, ihrer Abhängigkeiten, ihrer Süchte, ihrer Zwänge. Der Markt macht die Menschen und ihre Umwelt krank. Auch daran bereichert er sich.

Der Markt ist eine umfassende Lebenslüge.
Dabei können Sie nicht stehen bleiben.
Auf dem Markt verkaufen und verlieren Sie Ihre Seele.

Der Markt ist nicht die Ursache der Zerstörung, sondern der Verstärker. Deshalb genügt es nicht, den Markt mit technischen Mitteln und Eingriffen, zum Beispiel Lenkungssteuern und Gesetze, korrigieren zu wollen. Es genügt auch nicht, den Markt durch andere Organisationssysteme der Macht (wie zum Beispiel den Kommunismus) zu ersetzen. Es ist unabdingbar, die Bewusstheit der Menschen zu entwickeln.

Die Revolution findet nicht im äußeren,
sondern im inneren System des Menschen statt.

Die Außenwelt des Menschen ist das Abbild seiner Innenwelt. So wie er im Innern seiner Psyche bewusst und/oder unbewusst ist, so sieht er seine Welt, so organisiert er seine Welt und so erfüllt oder zerstört er seine Welt.

Sie stehen vor dem Markt wie Moses vor dem Roten Meer. Sie lösen nicht den Markt auf, nicht das Meer, sondern die Dominanz der Instinkte und Affekte und der Instrumentellen Intelligenz in deren Diensten. Sie lernen als Wagenlenker/-in, das weiße und das schwarze Pferd zusammen zu lenken, um an die Metapher von Sokrates−Platon (5. – 4. Jh. v. Chr.) zu erinnern. Sie lassen sich von Ihrer Seele zur Wahrheit führen, um das Bild des Wagenlenkers aus der Bhagavad Gita (5. – 2. Jh. v. Chr.) anzufügen. Sie lernen, mit beiden Flügeln des Adlers zum Himmel zu fliegen, um die Metapher der Hildegard von Bingen (12. Jh. n. Chr.) anzuwenden. Die beiden Pferde und die beiden Flügel sind Symbole für die konstruktiven und die destruktiven Wünsche und Funktionen Ihrer Psyche, die richtige und die falsche, die gute und die böse, die konstruktive und die destruktive, die göttliche und die dämonische Seite. Nur zusammen, nur im Gleichtakt, nur wenn die Gegensätze zwischen den beiden Seiten aufgelöst sind, können Sie das Ziel erreichen.

So wie die Intelligenzsysteme mit ihren Wünschen und Funktionen in der Psyche nicht getrennt und nicht zu trennen sind, so sind sie auch in der Wissenschaft und Bildung, Kunst, Natur und Religion, in der Beziehung und Familie, in der Wirtschaft, in der Gesundheit, in den Medien und in der Politik der Gesellschaft nicht zu spalten.

Das ist die politische Botschaft:
Hört auf, eure Seele zu verletzen.
(Hildegard von Bingen)[3]

Das sind die Handlungskonsequenzen des Erkennens:

  • In der Wissenschaft und Bildung, Kunst, Natur und Religion bilden Sie Bewusstheit.
  • In der Beziehung und Familie sind Sie treu.
  • In der Wirtschaft, im Unternehmen, in der Arbeit, setzen Sie Ihre Talente und Ressourcen ein, um das Leben zu erfüllen.
  • In der Gesundheit dienen Sie dem ganzen, heilen, Leben.
  • In den Medien vermitteln Sie Bewusstheit.
  • In der Politik verteilen Sie die Ressourcen so, dass sich alle Menschen erkennen können.

Die Wissenschaft und Bildung, Kunst, Natur und Religion im Dienst der Bildung von Bewusstheit

Die Wissenschaft und Bildung, Kunst und Religion legen die Grundlagen dafür, was den Menschen in der Gemeinschaft bewusst werden kann. Sie legen die Inhalte dar, die erkannt werden können und die Methoden, wie erkannt werden kann. Die Natur, aus welcher der Mensch kommt und von welcher er Teil ist, ist ein Spiegel. Wenn in diesen Bereichen die Inhalte und die Methoden gespalten sind, was seit langem der Fall ist, können die Menschen über diese Instanzen nicht zur Bewusstheit, nicht zur Wahrheit, finden.

Die erste Voraussetzung, die zu erfüllen ist, besteht darin,
Wissenschaft und Bildung, Kunst, Natur und Religion wieder zu verbinden
und die Erkenntnisse und Aussagen der unterschiedlichen Institutionen
in Übereinstimmung zu bringen.

Das erfordert in allen Bereichen ein analytisch-hermeneutisches Erkenntnisverständnis. Es erfordert von allen Institutionen, sich vom Markt zu befreien.
Es erfordert von den Religionen wie von den Menschen, alle Projektionen zurückzunehmen. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, alle Spekulationen, alle Konstruktionen, alle Illusionen, alle Schwärmereien, alle leeren Versprechungen, alle falschen Hoffnungen, Belohnungen und Bestrafungen zurückzunehmen. Es bedeutet, jedwede Spaltung aufzulösen.

Wir haben oben darauf hingewiesen, dass Religion, von re-legō, dasselbe bedeutet wie Revolution, von re-volvere. Beide Begriffe weisen auf die Notwendigkeit hin, die Teile des Systems im Innern Ihrer Psyche wieder richtig zusammenzusetzen, re-legō, die Teile wieder so zusammenzusetzen, wie sie im Plan des Lebens gedacht sind, re-volvere.
Das ist nicht möglich, wenn auch nur ein Teil Ihrer Wünsche und Funktionen, Ihrer Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeiten ignoriert, verdrängt, unterdrückt, kompensiert, fragmentiert, projiziert und abgespalten bleibt.

Die Wissenschaft und Bildung ist kein Wettbewerb.
Die Kunst ist kein Unterhaltungsgeschäft.
Die Natur ist kein Zufallsprodukt.
Die Religion ist keine Glaubensveranstaltung.

Wissenschaft und Bildung, Kunst, Natur und Religion
sind unterschiedliche Formen desselben Erkennens.

Die Beziehung und Familie im Dienst der Treue

In der Beziehung und Familie können die Menschen den intimen und geschützten Raum finden, in welchem die Wunden der Verletzungen, denen sie unterliegen, Heilung erfahren. Hier können sie Schutz und Nahrung, Liebe und Vertrauen, Treue, das heißt Festigkeit, Verlässlichkeit, finden.
Das Symbol für die Treue ist der Baum. In den keltischen, skandinavischen, germanischen, griechisch-römischen und anderen Mythologien steht dafür die Eiche. Der Baum verbindet durch seine Krone und seine Wurzeln den Himmel mit der Erde, das Lichte mit dem Dunkeln. Er wärmt in der Kälte und spendet Schatten in der Hitze.[4] Er nährt. Er ist symmetrisch, vertikal und horizontal. Er wächst und erneuert sich unaufhörlich. Er verwandelt sich im Kreis der Jahreszeiten. Er bewegt sich sanft im Wind. Fest, stark, wahr und unverrückbar wie eine Eiche sind Sie gegenüber den Wünschen der instinktiven, affektiven und instrumentellen Teilsysteme, die Ihnen ihre Ansprüche ins Ohr flüstern. In der griechischen Mythologie heißen die Einflüsterer Dämonen, daimōn.

Das griechische Wort für Treue ist pistis. Es ist derselbe Begriff, dem wir oben, im Akt der Wahrheit, schon begegnet sind. Er bedeutet:

Erkennen, Sicherheit, Festigkeit, Beweis.

Er ist einer der drei Schlüsselbegriffe in der griechisch geschriebenen christlichen Bibel.[5] Als zweiter wird elpis aufgeführt. Dieses Wort beschreibt das Vertrauen der Empathischen Intelligenz. Das Selbst-Vertrauen, nach dem Sie suchen, finden Sie allein in Ihrer Seele. Als dritter und höchster Begriff wird agapē ausgezeichnet. Er wird mit Liebe übersetzt. Dieses Wort bedeutet präzise: Die Ausrichtung der Wünsche, des Wollens, an etwas. Es ist die Ausrichtung aller Wünsche am System-Ziel, am Gesamt-Ziel. An anderer Stelle wird Liebe, agapē, mit Gott, theos, und mit Erkennen, Wissen, Sehen, ginōskō, oida, eidō, gleichgesetzt. Es heißt dort:[6]

Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt (!),
denn Gott ist Liebe.
Und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.

Wie von Sokrates wird Liebe als die höchste, die lebensführende und lebenserfüllende Weise des Erkennens dargestellt. Beide Begriffe, theos und agapē, Gott und Liebe, sind identisch. Beide Begriffe sind präzise ausgeführt und präzise zu verstehen. Beide Begriffe sind nur zu verstehen, wenn und weil sie aufeinander bezogen sind. Liebe, agapē, ērōs, philia und weitere Begriffe bedeuten sinnvoll und präzise:

Die Ausrichtung der Wünsche am System.

Die älteste Erzählung vom ganzen Menschen, der wir oben schon begegnet sind, verwendet die Familie als Symbol für das System der Psyche. Die zwei Geschwisterpaare, Isis und Nephthys, sowie Osiris und Seth, stellen die zwei Achsen des Lebens dar. Die zwei Schwestern repräsentieren die Rezeptions−
Reflexionsachse. Isis ist die Empathische Intelligenz. Sie setzt den zerstückelten Bruder und Geliebten Osiris wieder zusammen und heilt die Wunden in der Liebesnacht. Nephthys steht für die Instrumentelle Intelligenz. Sie hilft ihrer Schwester, die Teile zu suchen und zu finden, einzusammeln und wieder (system-)richtig zusammenzusetzen. Die zwei Brüder bekämpfen und zerstören sich auf der Aktionsachse. Osiris ist der Strahlemann. Ihm gelingt alles. Er bekommt alles. Seth hat das Nachsehen. Der Erfolglose missgönnt seinem Bruder den Erfolg. Er ist der Rivale. Er rivalisiert mit seinem Bruder um den Erfolg, die Bewunderung, die Anerkennung, den Besitz und Konsum, das Privileg der Paarung und weitere Privilegien, die Liebe, das Glück. Er zerstückelt seinen Bruder jeden Tag und Isis heilt die Wunden jede Nacht. Aus der Liebesvereinigung entsteht Horus, das Neue Kind, als Symbol für den ganzen Menschen.
In der Familie kann das Neue Kind gedeihen. Alles, was es in der Familie nicht lernt, muss es später nachlernen. Alles, was es im familiären Umfeld falsch lernt, muss es später heilen. Alle Gegensätze, welche die Eltern und Geschwister nicht aufzulösen vermögen, muss es in sich selbst auflösen. Das ist die Aufgabe des Kindes, des Lebens:

Die Erlösung der Eltern und Geschwister in sich selbst.

Die Erlösung ist die Auflösung der Gegensätze. Die Familie ist als ein Symbol zu verstehen, nicht als ein geschlossenes System von Blutsverwandten, das Besitz, Konsum und Privilegien anhäuft und verteidigt.

Die Beziehung und Familie, die Liebe und die Wahrheit,
ist kein Tauschgeschäft.

Die Wirtschaft im Dienst der Erfüllung des Lebens

Was ein Mensch sein kann, muss er sein, sonst wird er nicht zum Frieden finden (Abraham Maslow). Unbewusst und automatisch wollen die Talente jedes Menschen, die seine Präferenzen und Prioritäten sind, wirksam werden. Sie wollen sich entfalten können. Sie wollen erfolgreich sein, anerkannt und bewundert werden. In der Wirtschaft, beim Unternehmen und Arbeiten, wollen und können die Talente, die Stärken, der Menschen zum Einsatz kommen. Weil die Talente, der Stärken, zwischen den Menschen unterschiedlich verteilt sind, ist die Arbeitsteilung und die komplementäre Verbindung der unterschiedlichen Stärken und Talente sinnvoll und unausweichlich. Sie stellt hohe Anforderungen an die Organisation.
Der Markt als aktuell dominierende Organisationsform der Wirtschaft organisiert die Arbeitsteilung und die komplementäre Verbindung der Talente, der Stärken, unbewusst und automatisch nach dem Recht des Stärkeren (Instinktive Intelligenz), nach dem Recht der Macht (Affektive Intelligenz) und nach dem Recht der Kontrolle von Effizienz und Effektivität (Instrumentelle Intelligenz). Der Stärkere, der Mächtige, der Kontrollierende ist der Besitzer der Ressourcen: des Bodens und der Immobilien, des Kapitals, der Autorität, der Technologie, des technischen Wissens und Könnens, des Talentes. Die Wünsche und Funktionen der Empathischen Intelligenz, der Seele, sind ausgeschlossen.
Bewusst setzen Sie Ihre Talente, Ihre Stärken, und Ihre weiteren Ressourcen, dafür ein, dass sich das Leben erfüllen kann. Sie lösen den Gegensatz zwischen der Rezeption−Reflexion und der Aktion auf. Sie lösen den Gegensatz zwischen den Wünschen der Empathischen Intelligenz und jenen der instinktiven, affektiven und instrumentellen Intelligenzsysteme auf. Sie führen diese durch jene. Diese Umstellung, die Umformung, diese Metamorphose Ihrer Einstellung, vollziehen Sie zuerst im Innern Ihrer Psyche. Von dort aus kann sie auf die Menschen in Ihrem Umfeld wirksam werden. Dann können Sie beginnen, andere Menschen in der Organisation, in der Sie sich bewegen, dorthin, zur Bewusstheit, zu führen. Dann können Sie beginnen, konstruktiv zu führen, leader zu sein, leadership auszuüben. Dann können Sie eine konstruktive Unternehmenskultur bilden. Dann können Sie in der Organisation lehren und lernen, zusammen zu denken (Peter Senge). Dann erst machen Strukturveränderungen Sinn.
Wir haben gesehen, dass dieser Prozess ein Erkenntnis-Prozess ist. Wir haben ausgeführt, dass er nicht von einer Technik angeführt sein kann, aber dass die Technik darin bewusst enthalten ist und eine Rolle spielt. Diesem Erkenntnis-Prozess in der Organisation wenden wir uns jetzt zu.

Das philokratische Führungsprinzip

Sie führen sich und die anderen Menschen im Unternehmen, in den Organisationen, philokratisch. Sie führen sich und andere bewusst. Sie fördern und entwickeln bei sich und bei allen anderen Menschen, die Sie führen/mit denen Sie zusammenarbeiten, die Empathische Intelligenz und die Instrumentelle Intelligenz in deren Diensten, die Rezeption und Reflexion, das Verständnis von sich selbst und von den anderen Menschen, von der Psyche, vom Leben. Sie schließen die Gefühle und Instinkte nicht aus, sondern ein. Sie fördern und entwickeln bei sich selbst und bei den anderen die Fähigkeit, das Leben zu verstehen und zu erfüllen.

Philos bedeutet liebend und geliebt; ho philos ist der Liebende und der Geliebte. Kratos bedeutet Kraft, Stärke, Macht. Sie beziehen die Kraft, die Stärke und die Macht aus Ihrer Empathischen Intelligenz. Sie führen ohne Macht. Sie lassen sich von Ihrer Seele führen und führen andere durch diese und zu dieser:[7]

  • Sie schaffen eine Kultur der Bewusstheit. Der Prozess entwickelt sich von oben nach unten.
  • Sie führen die Mitglieder/Mitarbeitenden zum Erkennen des Systems der Psyche, des Lebens. Diese erkennen ihre partikulären Ausgangslagen und das gemeinsame Ziel, bei sich selbst und bei den anderen. Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden erkennen die Kompetitivität, die Gegensätze und die Komplementarität ihrer Stärken/Prioritäten und Schwächen/Defizite. Sie lernen, diese zuerst in sich selbst und als Folge davon zwischen den unterschiedlichen Menschen zu verbinden und die Gegensätze aufzulösen.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden lernen, die unterschiedlichen Menschen mit ihren unterschiedlichen Talenten, Stärken, Ressourcen, gleichwertig zu betrachten. Dazu ist nur die Empathische Intelligenz bereit und fähig. Sie fördern und belohnen diese. Sie schaffen eine Kultur der Gleichwertigkeit der Ungleichen und des Vertrauens zwischen diesen.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden fördern und belohnen die Sanftheit, die Bescheidenheit, die Berührtheit und die Bewusstheit, die Liebe, die Schönheit, die Wahrheit, die Kreativität und die Fähigkeit und Bereitschaft, das Leiden an der Zerstörung zu ertragen.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden führen Formen, Symbole und Rituale der Gleichwertigkeit und des Vertrauens ein: Kreisformen anstatt solche, die Ungleichwertigkeit darstellen; Beziehungs-, Wertschätzungs- und Anerkennungsformen anstatt solche, die Anonymität, Austauschbarkeit und Gleichgültigkeit darstellen. Die Bewusstheit ist primär, die Formen folgen daraus, nicht umgekehrt.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden bauen Privilegien ab.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden belohnen die unterschiedlichen, aber gleichwertigen Menschen für ihre unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungen zunehmend gleichwertig.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden unternehmen, organisieren und arbeiten nicht, um sich zu bereichern, sondern um ihr Leben zu erfüllen.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden reizen nicht zum Besitz und Konsum, sondern reduzieren diese. Sie führen sich selbst und andere zur Bescheidenheit, zur Genügsamkeit (Suffizienz), zur Enthaltsamkeit.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden reizen, fördern und belohnen nicht die (Be-)Gier(-de), die Unersättlichkeit, die Grobheit, die Expansion, die Mobilität, die Gewalt, den Ehrgeiz, die Eitelkeit, die Überheblichkeit, die Schlauheit, die Täuschung, die Betäubung, die Sucht, den Zwang, die Position, den Status, die Macht, die Teilnahmslosigkeit, die Gleichgültigkeit, die Manipulation und Kontrolle, den Formalismus, den Zynismus. Sie beruhigen und besänftigen diese. Besänftigen bedeutet sanft machen. Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden sind und führen sanft.
  • Sie/die Mitglieder/Mitarbeitenden setzen die Ressourcen, über die Sie/sie verfügen ein, um Bewusstheit zu entwickeln.

Sie lösen den Markt in sich auf.

Das Leben ist kein Markt.

Die Gesundheit im Dienst des ganzen, heilen, Lebens

Die Begriffe Gesundheit und Bewusstheit sind identisch und austauschbar. Gesund zu sein bedeutet, heil, ganz, zu sein. Ohne bewusst zu sein, ohne Ihr Leben zu verstehen und zu erfüllen, können Sie nicht gesund sein.

Die Gesundheit kann nicht durch den Markt geregelt sein.

Die Gesundheit ist kein Geschäft.

Die Medien im Dienst der Vermittlung der Wahrheit

Die Massenmedien prägen die Meinungen der Massen. Die Massenmedien im Dienste des Marktes, so wie im Dienste anderer Herrschaftsformen, verstärken die Unbewusstheit der Menschen auf fatale Weise.

Alle Medien sind beauftragt, Bewusstheit zu vermitteln. Die Medien gehören zu den ersten, die aus dem Markt herauszulösen sind.

Die Wahrheit ist kein Geschäft.

Die Politik im Dienst des Erkennens

Die Politik bestimmt die Voraussetzungen, die zur Produktion und Verteilung der Ressourcen führen. Sie regelt die Regeln. Die Produktion und Verteilung der Ressourcen bestimmt, wer unabhängig und wer abhängig ist, wer mächtig und wer ohnmächtig ist. Die Politik ist das Ergebnis ihrer selbst. Die Politik und der Mensch sind dasselbe. Auch der Mensch ist das Ergebnis seiner selbst.

Sie sind der Hermeneutische Zirkel:
Sie müssen das Ganze kennen,
um die Teile richtig zusammensetzen zu können,
und Sie können das Ganze nur erkennen und erfüllen,
indem Sie alle Teile richtig zusammensetzen.

Die Politik und der Mensch, Sie, stehen vor der Aufgabe, den Hermeneutischen Zirkel aufzulösen. Wie das gelingt, haben wir präzise dargestellt. Es ist erforderlich, den Gegensatz, die Grenze zwischen der Aktion und der Rezeption, zwischen dem Profanen und dem Sakralen, zu überschreiten, zu durchschreiten, zu durchmessen, zu ermessen (Sie erinnern sich an die Sprachwurzel mēd-, wie in Meditieren oder Maß), zu transzendieren (lateinisch trān-scēndo, hin-überschreiten).

In der Politik geht es nicht zuerst um die Verteilung von Besitz und Konsum, von Macht und Privilegien, von technologischer, wirtschaftlicher und militärischer Überlegenheit. In der Politik geht es zuerst darum, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, damit sich die Informationen in der Psyche der Menschen konstruktiv entwickeln können. Das bedeutet, dass die Menschen das Gute und das Böse, das Richtige und das Falsche, die zwei Flügel des Adlers, in sich selbst erkennen können. Das beinhaltet die Fähigkeit, die beiden Seiten zu verbinden und den Gegensatz, die Zerstörung, aufzulösen. Das ist der Gradmesser jeder Politik.

Die Bewusstheit ist kein Geschäft.

  

   

Theiler JuergÜber den Autor

Jürg Theiler, Dr. rer. pol., ist Ökonom und Tiefenpsychologe. Er wirkte in führenden internationalen Unternehmen als Manager und Berater sowie als Hochschuldozent in den Bereichen Leadership und Organisationsentwicklung. Seit 2000 ist er als Berater und Begleiter auf der Grundlage der von ihm entwickelten Analytisch-hermeneutischen Psychologie in Zürich tätig. Er ist Autor von zahlreichen Publikationen.

 

  

Endnoten

[1] Abraham Maslow, The Maslow Business Reader, a.a.O. Der System-Zusammenhang ist ausführlich dargestellt in Jürg Theiler, Bewusstheit. Die Erfüllung Ihres Lebens, a.a.0., S. 340 ff.

[2] Ausführlich dargestellt in Jürg Theiler, Die Seele auf dem Markt. Von der Zerstörung zur Erfüllung, in: Elke Fein (Hrsg.): Wirtschaft in der Zeitenwende. Zur Vision einer Maßwirtschaft der Lebensfülle und Schritte zu ihrer Verwirklichung, Institut für integrale Studien, ifis, Freiburg 2010, S. 56 ff. Online: http://www.ifis-freiburg.de

[3] Zitiert aus Ingeborg Ulrich, Hildegard von Bingen, München 1990, S. 173.

[4] Auf berührende Weise zu hören zum Beispiel in der Oper von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Serse (deutsch Xerxes, HWV 40). Ombra mai fù (Nie war der Schatten einer Pflanze (Platane) lieblicher und angenehmer, süßer).

[5] 1. Korinther 13.13. Elberfelder Studienbibel, Das Neue Testament, a.a.O., S. 454.

[6] 1. Johannesbrief 4.8.16. Ebenda, S. 631 f. Kursiv durch mich.

[7] Sokrates hat dafür den Begriff Aristokratie geprägt. Er ist aus aristos und kratos gebildet. Sokrates versteht aristos, von arete, als das Richtige, das Gute, das Gerechte, die Tugend. Mit dem Begriff bezeichnet er die Kraft der Seele. Platon, Der Staat (Politeia), Stuttgart 2000, 338d, 445d, 544e, 587d/e. Nach allem, was Menschen, die sich Aristokraten nennen, in Feudalherrschaften angerichtet haben, ist der Begriff nicht mehr zu gebrauchen. Homer hat den Begriff arete zuvor in der Ilias und Odyssee eingeführt. Er beschreibt damit dort Penelopedie, die wir als Symbol für die Treue und die Seele kennen. Treue ist eine Eigenschaft der Empathischen Intelligenz. Auch Achilles verdient am Ende diese Bezeichnung. Er findet im Hades zur Einsicht und gelangt damit zur Insel der Seligen, Elysion, lateinisch Elysium.

  

   

Buchauszug aus:

Theiler Juerg Fuehrung durch die Seele

Jürg Theiler
Führung durch die Seele. Von der Zerstörung zur Erfüllung 
Edition Spuren, Winterthur 2020
ISBN 978-3-905752-65-6

 

 

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